Kolumne 30.08.08: Werben für den Wechsel

30.08.08 (von maj) Das hohe Ansehen Barack Obamas in der Welt gründet in der Hoffnung auf eine Politikwende

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 203 - 30./31. August 2008

Was Senator Barack Obamas Nominierung auf dem Parteitag der Demokratischen Partei diese Woche so außerordentlich bemerkenswert macht, ist das hohe Interesse des Auslands angesichts der eher simplen Tatsache, daß eine der Parteien des Zweiparteiensystems der USA sich einhellig für ihren Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen hat.
Die Pause zwischen seinen letzten Wahlkampfveranstaltungen und dem Parteitag hatte Obama genutzt, um Ende Juli eine wohlüberlegte Werbetour ins Ausland zu machen. Seine gut inszenierten Auftritte in Irak, Jordanien, Israel, Deutschland, Frankreich und England sorgten für Aufsehen. Es war spektakulär, welch große Menschenmassen Obama zu mobilisieren vermochte – vor allem in Deutschland. Was die politische Wirkung seiner Auftritte betrifft, hätte es für Obama nicht besser laufen können.
Bedanken kann sich Obama auch bei seinem republikanischen Gegenspieler Senator John McCain, der Obama über Wochen unablässig öffentlich dafür gescholten hatte, er habe es wohl nicht nötig, Irak zu besuchen. Der Demokrat sei mehr daran interessiert, seine Nominierungskampagne zu gewinnen als den Krieg im Zweistromland. Überdies ignoriere Obama mit seinem »starren Rückzugsplan für die US-Truppen« die aktuellen Erfolge, die unter der von US-Präsident Bush angeordneten Truppenverstärkung erzielt worden seien.
Und was passierte, als Obama dann das besetzte Land gleich zu Beginn seiner Reise besuchte? Ministerpräsident Nuri Al-Maliki stimmte ausgerechnet Obamas Rückzugsplan für die in Irak stationierten US-Einheiten zu.
McCains Kommentare zu Obamas Auslandsreise klangen dann angesichts solchen Zuspruchs für seinen Gegner auch eher borniert und bockig. Kurz bevor sich Obama in Berlin an der Siegessäule feiern ließ, meldete sich McCain nach einem Bratwurstessen aus »Schmidt’s Sausage Haus«, so der offizielle Name des Wurstlokals im Stadtteil German Village von Columbus, Ohio, zu Wort. Der Republikaner mäkelte, während Obama sich im Ausland aufführe, als sei er schon der neue US-Präsident, kümmere er, McCain, sich um die drängenden wirtschaftlichen Fragen des Landes einschließlich der in die Höhe schießenden Lebensmittel- und Benzinpreise. Parallel dazu deckte McCains Wahlkampfleitung die Stadt Berlin in Pennsylvania und weitere Städte mit deutschen Namensschwestern in Wisconsin und New Hampshire mit Anti-Obama-Anzeigen ein.
McCain und seine Partei hatten offensichtlich Probleme, den Rückwirkungen des begeisterten Empfangs für Obama in Europa auf das US-amerikanische Mutterland etwas entgegenzusetzen. McCain meinte statt dessen, damit punkten zu können, daß er parallel zu Obamas Auslandsreise den Dalai Lama in Aspen, Colorado, traf und ihn im Anschluß als »transzendentes Vorbild für unsere Nation« pries.
Aber es half nichts, McCain und seine Berater mußten mit ansehen, wie Staatsoberhäupter Obama als einen Politiker empfingen, dessen Wahl zum nächsten US-Präsidenten nur noch reine Formsache ist. Als er die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel traf, war man angesichts der Bilder von dieser entspannten Begegnung an den peinlichen Auftritt George W. Bushs bei seinem letzten Deutschlandbesuch erinnert, der die deutsche Regierungschefin gegen jede protokollarische Gepflogenheit bei den Schultern packte und Merkel daran, wie angesichts dieser Grenzüberschreitung das Gesicht verzog.
Erwartungsgemäß hatten rechte und konservative Kräfte in den USA Barack Obamas Tour in vielerlei Hinsicht attackiert. Das reichte von Aussagen wie »Der tut ja gerade so, als wäre er schon Präsident« bis zu dem gebetsmühlenartig wiederholten Vorwurf, Obama sei »unerfahren«.
Obamas Auslandsreise hat dazu beigetragen, die amtierende Bush-Regierung in einem noch schlechteren Licht erscheinen zu lassen. Vorsichtig ausgedrückt, ist diese wenig beliebt in der Welt. Das Problem bekommt auch McCain zu spüren, der in Bushs Schatten versucht, gut auszusehen. Ob sein gutes Ansehen in vielen Ländern dieser Welt Barack Obama schließlich nützt, im November die US-Wahlen zu gewinnen, ist fraglich. Völlig ohne jeden Zweifel zeigen aber die Anerkennung, die ihm bei seiner Reise entgegengebracht wurde, sowie die vielen positiven Reaktionen auf seine Nominierung, daß weite Teile der Welt hoffen, es möge nicht so weitergehen wie bisher.

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 29.03.2024 um 00:33:35 Uhr