Kolumne vom 18.01.03: Phil Berrigans Kampf für den Frieden

18.01.03 (von maj) Die heutige Großdemonstration in Washington D.C. gegen den Irak-Krieg ehrt den verstorbenen Friedenskämpfer Pater Phil Berrigan

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr .15, 18./19. Januar 2003

Wenn am heutigen 18. Januar 2003 die zentrale Demonstration gegen den drohenden Irak-Krieg in Washington DC stattfindet, wird dieses bedeutende Ereignis nicht nur eine Würdigung des Vermächntnisses von Martin Luther King sein, sondern auch dem lebenslangen Kampf Tribut zollen, den Phil Berrigan gegen Krieg und Militarismus geführt hat.
Seine Lebensgeschichte und die seines Bruders, des früheren Jesuitenpaters Daniel Berrigan, setzten dauerhafte Zeichen des moralischen Sieges von Frieden über Krieg, Gemeinschaft über Chaos und Gerechtigkeit über Unrecht. Sie trugen ihren Kampf gegen den Militarismus in Büros von Einberufungskommissionen, in Militärstützpunkte und Gerichtssäle und traten für ihre Vision ein, daß das Leben heilig und unantastbar ist. Inspiriert vom Kampf um die Bürgerrechte, der sich vom blutgetränkten Boden der Südstaaten in alle Himmelsrichtungen ausbreitete, kam Philip Berrigan mehr und mehr zu der Überzeugung, daß noch weit größere Teile der US-amerikanischen Gesellschaft den frischen Wind der Veränderung nötig hätten. Der Historiker Howard Zinn beschreibt in seinem Buch »A People's History of the United States« Philips frühe Jahre:
»Im Herbst 1967 betrat Philip Berrigan (ein Josephitenpater und Veteran des Zweiten Weltkriegs) zusammen mit dem Künstler Tom Lewis und den Freunden David Eberhardt und James Mengel das Büro der Einberufungskommission, sie überschütteten die Akten mit Blut und ließen sich verhaften. Schon bald wurde ihnen der Prozeß gemacht, und sie erhielten Gefängnisstrafen von zwei bis sechs Jahren.«
Bei einer Aktion gegen die Einberufungskommission von Catonsville, Maryland, im Mai 1968 wurde Philip von seinem Bruder Daniel unterstützt. Zusammen mit anderen Kriegsgegnern rissen sie Blätter aus Aktenordnern, beschmierten sie mit Blut und steckten sie in Brand. Sie wurden als die »Catonsville Neun« bekannt und für diese Protestaktion zu Gefängnisstrafen verurteilt. Daniel beschrieb diese Aktion mit einem prophetischen Unterton, wie man ihn auch von King kannte, und nannte es seine »Meditationen«:
»Wir entschuldigen uns, meine lieben Freunde, für das Stören eurer liebgewordenen Ordnung, weil wir Papier und nicht Kinder verbrannt haben, weil wir Ruhe und Ordnung im Vorzimmer des Leichenhauses gestört haben. Gott steh uns bei, wir konnten nicht anders. Denn wir sagen: Töten ist Unordnung - Leben, Freundlichkeit, Gemeinschaft und Uneigennützigkeit sind die einzige Ordnung, die wir anerkennen. Dieser Ordnung zuliebe riskieren wir unsere Freiheit und unseren guten Namen. Die Zeit ist vorbei, als gutgesinnte Menschen in Schweigen verharrten, als Gehorsam Menschen daran hinderte, etwas für das Gemeinwohl zu riskieren, als die Armen sich ohne Gegenwehr zum Sterben hinlegten.«
Philip und Daniel Berrigan wurden zum Kern einer sich ausbreitenden dynamischen Moral der Anti-Kriegs- und Friedensbewegung und der Bewegung für soziale Gerechtigkeit, die weit über sie hinauswirkten und die Herzen und Köpfe vieler erfaßte. Philip Berrigan, radikalisiert durch diese Zeiten, entwickelte einen neuen und klareren Blick auf die Geschichte der USA:
»Die Revolution in diesem Land wurde angeführt von einem harten Kern, der aus Händlern, Bankiers und Reedern bestand, allesamt hohe Herrschaften, die aufgebracht und wütend waren darüber, daß eine fremde Macht [England] ökonomische Kontrolle über ihre Reichtümer ausübte. Sie wußten, welche Ressourcen dieses Land bot. Sie sahen seine Potentiale. Und sie wollten keine fremde Kontrolle und lehnten es ab, sich ihr zu unterwerfen. Sie führten die Nation also aus kaum mehr als wirtschaftlichen Erwägungen in einen Kampf. Folglich mischten sie nur die Karten der Ökonomie neu und machten keine wirkliche Revolution.« (Zitiert nach James Joy: »Prison Intellectuals«; erscheint 2003.)
Philip Berrigan hat nun im Alter von 79 Jahren diesen Planeten verlassen, kurz bevor möglicherweise einer der meistgefürchteten weltumspannenden Kriege beginnt. Die Sache, für die er stand, ist aber nicht mit ihm gestorben. Sie lebt weiter in den Herzen vieler Menschen, die entflammt sind von seinem leidenschaftlichen Kampf für das Leben.

Übersetzung: Jürgen Heiser

Info: www.internationalanswer.org[1]


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[1] http://www.internationalanswer.org

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Stand: 19.03.2024 um 09:50:09 Uhr