Fall Trayvon Martin: Lebendiger Rassismus

22.07.13 (von ivk-jw) Erklärung von US-Präsident Obama zu den Vorgängen um den Tod des Teenagers Trayvon Martin. Viele Protestdemonstrationen in weiten Teilen der Vereinigten Staaten

Link zum Artikel in junge Welt Nr. 167 vom 22. Juli 2013:
http://www.jungewelt.de/2013/07-22/052.php[1]


»Trayvon Martin hätte ich vor 35 Jahren sein können«, waren die Worte von US-Präsident Barack Obamas zum Tod des 17jährigen Afroamerikaners, der im Februar 2012 vom Mitglied einer Bürgerwehr in Sanford, Florida, erschossen worden war. Auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz gab Obama am Freitag seine spontane Erklärung zu den Vorgängen um den Tod des Teenagers ab. Anlaß für seinen Auftritt waren die für Samstag angekündigten Demonstrationen in weiten Teilen der USA. Deren Zahl gab dpa am Ende des Protesttags mit 130 an. Neben Trayvon Martins Familie, zahlreichen Prominenten und namhaften Bürgerrechtsorganisationen gingen eine Woche nach dem Freispruch des Todesschützen George Zimmerman erneut Abertausende auf die Straße und forderten vom Justizministerium ein neues Verfahren und die Abschaffung des in 30 US-Bundesstaaten geltenden exzessiven Notwehrrechts »Stand Your Ground«. An diesem bringt die Kritiker vor allem auf, daß es dem bewaffneten 29jährigen Nachbarschaftswärter ein Recht zum Töten zugesteht, obwohl der Jugendliche, in dem Zimmerman einen Eindringling in das von ihm gesicherte Wohngebiet sah, nichts als ein Erfrischungsgetränk und Süßigkeiten in seinen Händen hielt.
Obama sei angesichts des wachsenden Unmuts in der afroamerikanischen Bevölkerung gezwungen gewesen, sich öffentlich zu äußern, erklärte Bürgerrechtler Jesse Jackson. »Irgendwann bricht ein Vulkan aus«, zitierte ihn die New York Times. Und in den ARD-Tagesthemen brachte eine schwarze Demonstrantin auf den Punkt, woran die US-Gesellschaft vor allem krankt: »Dieses Land ist immer noch in Schwarz und Weiß gespalten.«
Der erste afroamerikanische Präsident der USA verwies mit seinen sehr persönlichen Äußerungen auf die rassistischen Hintergründe des Falls Trayvon Martin. »Es gibt sehr wenige afroamerikanische Männer in diesem Land, die nicht die Erfahrung gemacht haben, daß ihnen nachgestellt wird, wenn sie im Kaufhaus einkaufen. Das gilt auch für mich«, erklärte Obama. Genauso würden afroamerikanische Männer »beim Überqueren der Straße hören, wie Autoschlösser verriegelt werden«. Das habe er selbst erlebt, »bevor ich Senator wurde«. Und das alles passiere dauernd, so Obama. Ohne das Gerichtsurteil gegen Zimmerman direkt zu kritisieren, räumte Obama ein, es gebe »rassische Ungleichheiten bei der Anwendung unserer Strafgesetze. »Wäre ein weißer Jugendlicher in die gleiche Situation geraten, wären wohl Ausgang und Folgen andere gewesen.«
Nach Meinung von Kritikern des in den USA ungebrochenen Rassismus zeige die Art, wie Obama, der immerhin die größte Militärmacht der Welt befehligt, vor einem nur mäßig besetzten Presseraum über das Mißtrauen sprach, das Schwarzen bis heute entgegenschlägt, wie wenig Macht selbst der amtierende US-Präsident habe, an der rassistischen Spaltung der Gesellschaft etwas zu ändern. »Yes we can« nehmen deshalb in diesem neuen Aufschwung des Kampfes um ihre Rechte jene für sich in Anspruch, die als Betroffene einzig potentiell über die notwendige Gegenmacht verfügen, überfällige gesellschaftliche Veränderungen durchzusetzen. Viele Kundgebungsredner bezogen sich deshalb am Samstag auf die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre, der es hundert Jahre nach der formalen Befreiung der aus Afrika verschleppten Sklaven unter großen Opfern endlich gelungen war, deren Menschenrechte zu einem Dauerthema in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu machen.


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Stand: 25.04.2024 um 21:21:28 Uhr