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Kolumne # 600 vom 23.06.2012: Konterrevolution abgesegnet

23.06.12 (von maj) Ägyptens Verfassungsrichter verraten Willen des Volkes

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 144 – 23./24. Juni 2012

Vor über einem Jahr strömten die ägyptischen Massen auf dem Kairoer Tahrir-Platz zusammen, um der Herrschaft des vom Westen gestützten korrupten Regimes von Präsident Hosni Mubarak ein Ende zu bereiten. In der Folge sah sich der Westen mit der schwierigen Frage konfrontiert, wie das Mubarak-System auch ohne seinen Protagonisten aufrechtzuerhalten wäre. Nach vielen Monaten des Gerangels um die Wahlen zum Parlament ist die Antwort jetzt klar: Noch während der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl annullierte das Verfassungsgericht vergangene Woche die Parlamentswahlen. Der Oberste Militärrat löste daraufhin das Parlament auf, erteilte den Abgeordneten Hausverbot und stellte den Status quo ante wieder her, indem das Militär die Macht und vor allem die Kontrolle über Gesetzgebung und Haushalt wieder an sich riß. Damit haben Verfassungsgericht und Oberster Militärrat es geschafft, die Mubarak-Herrschaft auch ohne den gestürzten Potentaten wieder durchzusetzen.
Hosni Mubarak war der wichtigste Diener westlicher Interessen im arabischen Raum, und er nutzte seine Macht dazu, die Dissidenten und Oppositionellen im Lande zu unterdrücken. Das symbolhaft mit dem Tahrir-Platz – dem »Platz der Freiheit« – verbundene Aufbegehren des ägyptischen Volkes sorgte jedoch dafür, daß sich sein scheinbar auf ewig angelegtes Regime nicht mehr halten konnte. Für den geschlossenen Herrschaftskomplex aus Justiz, Militär, Polizei und Wirtschaft war Mubarak letztlich aber nicht mehr als eine Gallionsfigur und insofern entbehrlich.
Das Gerichtsverfahren, in dem der gestürzte Herrscher Anfang Juni zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, für seine Söhne und zahlreiche Angeklagte aus Militär und Polizei, die für die Gewalt und das brutale Vorgehen gegen die Bevölkerung verantwortlich gemacht wurden, hingegen mit Freisprüchen endete, bereitete den Weg für diesen justitiellen Putsch gegen das vom Volk gewählte Parlament.
In jeder Gesellschaft ist die Kaste der Juristen äußerst konservativ, weil es ihre Aufgabe ist, den Status quo zu bewahren und dabei die Illusion der Herrschaft von Recht und Gesetz zu verbreiten. Die 30jährige Mubarak-Herrschaft war von einer ungeheuren Brutalität geprägt, die sich allzeit westlicher Unterstützung erfreute. Die gesamte Infrastruktur der Repressionsorgane profitierte von den Milliardenbeträgen, die Washington und Bonn bzw. Berlin in das Land pumpten. Die privilegierte Klasse der ägyptischen Gesellschaft wollte nun ihre Macht zurückgewinnen und ließ sich ihre Konterrevolution von den unter Mubarak eingesetzten Verfassungsrichtern absegnen. Soll dieser Verrat am Willen des Volkes nicht das letzte Wort sein, dann kann das nur bedeuten, daß die wirkliche Revolution erst jetzt beginnt.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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