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Kolumne # 580 vom 4.02.2012: Massen machen Geschichte

04.02.12 (von maj) Während des »Black History Month« sollte nicht nur der üblichen Symbolfiguren gedacht werden

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 30 – 4./5. Februar 2012
[Die in der jW veröffentlichte Version war gegenüber dieser hier leicht gekürzt.]

In diesem Monat, dem Black History Month, werden Presse und Fernsehen in den USA uns wieder mehr schwarze Gesichter darbieten als sonst. Einige werden Filme und Dokumentationen zeigen, andere werden der Geschichte mehr Raum geben, um des Black History Month zu gedenken. Zweifellos wird auch wieder die epische Rede von Martin Luther King jr. am Ende des »Marsches auf Washington« von 1963 gezeigt werden, die grobkörnigen Filmaufnahmen mit Kings Schlüsselaussage »Dank sei Gott dem Allmächtigen, wir sind endlich frei!« Sie kommt einem heute aber wie eine ironische Verhöhnung der realen Lage der Mehrheit des schwarzen Amerika vor. Eine Videoaufnahme, die nach wie vor nicht gezeigt werden wird, ist die von einer der letzten Pressekonferenzen des ersten (und vielleicht einzigen) schwarzen Richters am Obersten Gerichtshof der USA, Thurgood Marshall, der kurz vor seinem Tod, gezeichnet von Alter und Krankheit, aber bei klarem Verstand erklärte: »Ich bin immer noch nicht frei.«
Wenn dieser Monat der schwarzen Geschichte auch für viele afroamerikanische US-Bürger von großem Symbolwert sein mag, so leben sie doch in einer Zeit, die geprägt ist vom größten kollektiven Vermögensverlust unserer Geschichte, von lähmender Arbeitslosigkeit, vom Elend der Zwangsräumungen, von einem öffentlichen Schulsystem, in dem mehr Verbildung als Bildung betrieben wird, von einem tollwütigen Polizeiterror und einer der höchsten Inhaftierungsraten in der US-Geschichte, mit allen Folgen, die das mit sich bringt.
Daß wir überhaupt so etwas wie den Black History Month haben, ist den schwarzen Freiheitsbewegungen der 1960er Jahre zu verdanken. Und der hartnäckigen Beharrlichkeit des schwarzen Historikers Carter G. Woodson, der schon in den 1920er Jahren mit der »Negro History Week« begann, die Öffentlichkeit auf den Beitrag von Afroamerikanern zur Geschichte der USA hinzuweisen. Wie in allen Kämpfen für den Fortschritt kam der Durchbruch jedoch erst mit dem Entstehen einer Bewegung. Wären schwarze Mütter und Großmütter und später schwarze Schulkinder nicht Martin Luther King jr. gefolgt, wir würden heute nicht einmal seinen Namen kennen. Denn ohne Gefolgschaft gibt es keine Bewegung – und so auch keinen Fortschritt.
Der 1989 verstorbene marxistische Historiker C. L. R. James hat in »Black Jacobins – A History of the Haitian Revolution« aufgezeigt, wie die Anführer dieses Aufstands – einschließlich General Toussaint L’Ouverture – wiederholt versuchten, die Revolution zu verraten. Dabei waren sie mit zwei unnachgiebigen Kräften konfrontiert: der rassistischen Widerspenstigkeit der französischen Regierung unter Napoleon Bonaparte und der Militanz der schwarzen Soldaten, die die Revolution vorantrieben.
Der Punkt ist: Menschen machen Geschichte durch Massenbewegungen, die oftmals schneller und weiter voranschreiten, als es ihren Anführern recht ist. Und Massen machen Revolutionen und treiben sie voran – nicht selten gegen »Anführer«, die nur den einen Instinkt haben, sie zu verraten.
In einem Vorwort der vielen Auflagen der »Black Jacobins« erinnert uns James daran, »daß es die Sklaven waren, die die Revolution machten. Viele der Sklavenanführer konnten bis zum Ende weder lesen noch schreiben«. Aber sie wußten genau, wie man kämpfen muß.
Zehntausende von Afrikanern zerrissen ihre Ketten, und obwohl mittellos, hungrig und gezeichnet von den Narben der Knechtschaft, besorgten sie sich Waffen und waren beseelt von dem Willen, gegen die Verteidiger der Sklaverei für ihre Freiheit zu kämpfen: Frankreich, Britannien und Spanien. Sie schlugen sie alle, weil ihr Durst nach Freiheit größer war als alles andere. Größer als alles!
Und indem sie so handelten, veränderten sie die Weltgeschichte. Sie zerschlugen die Träume Frankreichs von einem eigenen amerikanischen Imperium und machten es für die USA möglich, ihr Territorium zu verdoppeln, weil Napoleon ihnen in seiner Not Louisiana verscherbelte. Sie schafften, was keine Armee von »Sklaven« je wieder in der Geschichte vollbrachte: Sie besiegten ein Imperium. Dies ist Teil der revolutionären schwarzen Geschichte und er verdient es, daß man sich seiner während des laufenden Black History Month erinnert.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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