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Kolumne # 536 vom 2.04.2011: Nichts dazugelernt

02.04.11 (von maj) Warum die USA Kriege führen oder: Demokratisch ist, was Großkonzernen die Kassen füllt

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 78 – 2./3. April 2011

Als Maß dafür, wie mächtig das US-Militär, wie dürftig hingegen das von den US-Medien publizierte Wissen ist, mag gelten, daß diese Nation Kriege gegen Völker und Länder führt, von denen sie keine Ahnung hat. Gleichwohl zetteln die USA diese Kriege an, beziehen dafür Prügel, werden verjagt und geloben jedesmal, es nie wieder zu tun. Aber natürlich werden die Truppen schon bald wieder in Marsch gesetzt, und das Ritual beginnt aufs neue, wieder und wieder.
Als die US-Streitkräfte in Vietnam eingriffen, taten sie das, um dem in fast zweimonatiger Schlacht bei Dien Bien Phu von der vietnamesischen Unabhängigkeitsbewegung Vit Minh am 7. Mai 1954 endgültig geschlagenen europäischen Verbündeten Frankreich beizustehen. Die Niederlage beendete die französische Kolonialherrschaft in Südostasien, und sie war der Beginn des militärischen Engagements der USA auf der Basis der von Wissenschaftlern und Analysten entwickelten »Dominotheorie«, wonach ein Land nach dem anderen in Asien in die Hände der Kommunisten geraten würde, wenn Vietnam zuerst fiele.
Diese Theorie war, wie so viele, die den imperialen Kriegen zugrunde lagen, falsch. Jahrzehnte später erklärte einer der größten Befürworter des Vietnamkrieges, der im Juli 2009 verstorbene ehemalige US-Verteidigungsminister Robert McNamara, welche Folgen es hatte, daß die damalige politische Führung der USA so gut wie nichts über Vietnam wußte. Nichts über seine Geschichte, Sprache oder Kultur, und daß es diese Unwissenheit war, die einen Sieg praktisch unmöglich machte.
Danach folgten Somalia, später Irak, Afghanistan und jetzt Libyen. Wer weiß schon, daß der gewaltsame Ausbruch der innergesellschaftlichen Widersprüche in Libyen größtenteils von Stammeskonflikten herrührt? Einer der vorherrschenden Stämme im Osten Libyens verlor nach Sturz und Vertreibung des libyschen Königs Idris I. durch den »Bund freier Offiziere«, dem auch Oberst Muammar Al-Ghaddafi angehörte, 1969 an Macht und Einfluß. Deshalb wundert es nicht, daß viele dieser Stämme, die sich jetzt von Ghaddafi abwenden, in Wahrheit nicht nach Demokratie, sondern nach der Wiedererrichtung einer Monarchie streben. Weshalb sonst weht über den Köpfen der Aufständischen die grün-schwarz-rote Fahne des »Königshauses von Idris« mit weißer Mondsichel und fünfzackigem Stern?
König Idris I. war auch nur eine Marionette des Westens wie der 1952 von revolutionären Kräften gestürzte König Faruk von Ägypten und der 1979 von der Opposition aus dem Land gejagte Schah von Persien. Mutet es nicht sonderbar an, daß sogenannte westliche Demokratien jetzt auf der Seite von Monarchisten kämpfen?
Armes Libyen, zurück mit dir in die Vergangenheit! Wer weiß schon, daß Libyen bis zum Kriegsbeginn das höchste Bruttosozialprodukt Afrikas aufwies – höher selbst als das der Republik Südafrika? Oder daß es in Libyen den höchsten Stand der Alphabetisierung in der arabischen Welt gab, fast zwanzig Prozent höher als in Ägypten? Nein, auch ich wußte das nicht, aber ich habe es nachgelesen und überprüft. Wir wissen das alles nicht, weil es nicht im Interesse der ökonomischen Mächte ist, denen die Medien gehören und die sie für ihre Zwecke nutzen. Zehn Jahre nach Beginn des Krieges gegen Afghanistan und acht Jahre, nachdem auch der Krieg gegen Irak losgetreten wurde, haben wir immer noch nichts dazu-gelernt.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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