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Kolumne # 505 vom 28.08.2010: Vorboten des Endes

28.08.10 (von maj) Der Irak-Krieg der USA symbolisiert den unvermeidlichen Absturz der verbliebenen Supermacht

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 200 – 28./29. August 2010

Der unter großer medialer Begleitung vollzogene Beginn des Abzugs von US-Soldaten aus Irak sollte der ganzen Welt, vor allem aber der kriegsmüden Bevölkerung der USA, mit seinen Bildern so etwas wie einen geordneten Rückzug nach siegreichem Feldzug vermitteln. Tatsächlich markiert der taktische Schritt aber einen anderen Einschnitt. Nach siebeneinhalb Jahren Gemetzel, massenhafter Vernichtung und Tod beweist sich wieder einmal, daß auch die mächtigsten Imperien irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Der teilweise Truppenrückzug der letzten Supermacht aus einem Land, das am Boden liegt und von ethnischen und religiösen Widersprüchen zerrissen ist, steht im krassen Gegensatz zu dem anfänglichen und buchstäblich bombastischen Einfall der USA in das Zweistromland. In guter Erinnerung geblieben ist der Operationsname »Shock and Awe« (»Schockieren und einschüchtern«), mit dem Ex-US-Präsident George W. Bush im März 2003 prahlte, er könne sowohl Irak als auch die ganze Region mit der weltweit größten und zerstörerischsten Militärmaschine in Angst und Schrecken versetzen. Siebeneinhalb Jahre später, nach einer Vielzahl von tödlichen Angriffen der Aufständischen und einer skrupellosen Kriegführung der Besatzungsarmee, die Tausende US-Soldaten und unzählige Iraker das Leben gekostet hat, steht das Land am Rande eines Bürgerkriegs. Millionen Menschen verließen das Land und wurden zu Flüchtlingen, die einer ungewissen Zukunft entgegensehen.
Dieser fürchterliche Krieg hat einmal mehr gezeigt, wie ein großes Imperium als brüllender Löwe daherkommt, am Ende aber wie ein räudiger Kojote wieder von dannen zieht. Irak liegt in Trümmern, und seine politischen Eliten sind kaum mehr als willfährige Werkzeuge des Westens, von denen nur wenige ein Gefühl für Wohl und Wehe ihres Landes haben, sonst würden sie sich darum kümmern, die erschreckenden Auswirklungen von Krieg und Besatzung zu mildern. Sich beispielsweise mit dem Problem auseinandersetzen, daß es in ihrem Land, das zu den am weitesten entwickelten in der Region gehörte und auf dessen Öl der Westen Zugriff haben will, ein Energieproblem gibt. Elektrizität, die lebenswichtig ist für einen modernen Staat, gibt es im Schnitt nur für vier Stunden am Tag.
Die bloße Existenz des irakischen Staates in seiner heutigen Zurichtung, möglich geworden durch die US-Intervention, verändert das geostrategische Gleichgewicht der Region. Allerdings nicht auf die Weise, wie es die USA beabsichtigt haben. Die Invasion hat dafür gesorgt, daß nach der Herrschaft der Sunniten unter Saddam Hussein heute die Schiiten im Land das Sagen haben. Wodurch ausgerechnet die Islamische Republik Iran, der neue Intimfeind der USA, gestärkt wird, eine überwiegend schiitische Nation. Die USA haben also selbst dafür gesorgt, daß der schiitische Teil der islamischen Welt in dieser Region gestärkt wird und an Einfluß gewinnt.
Was das Ende der Kolonialherrschaft des britischen Empire in Indien und der vergebliche Versuch der Stabilisierung einer nationaldemokratischen Regierung durch militärische Intervention der UdSSR in Afghanistan anschaulich gezeigt haben, beweist nun auch das Scheitern der militärischen US-Besatzung in Irak: Wenn es keine sozialen und politischen Lösungen für die Widersprüche eines Landes gibt, werden die rein militärischen Lösungsversuche früher oder später zu fatalen Abnutzungs- und Ermüdungserscheinungen führen. Der afroamerikanische Soziologe und Historiker W.E.B. DuBois hat es bereits 1920 auf den Punkt gebracht: »Krieg ist Mord, und in der Eroberung schwacher ›schwarzer‹ Nationen durch mächtige ›weiße‹ Nationen zeigen sich bereits die Vorboten des Absterbens dieser Macht.«

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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