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Kolumne 10.04.2010: Vor dem Zusammenbruch

10.04.10 (von maj) Das Schicksal von Imperien, wie groß und mächtig auch immer, ist es, irgendwann zu kollabieren

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 83 – 10./11. April 2010

Der US-amerikanische Rat für Auswärtige Beziehungen (Council on Foreign Rela­tions – CFR) wurde 1921 von Führungskräften der US-Wirtschaft gegründet und hat es sich nach eigenem Bekunden »zur Aufgabe gemacht, durch den freien Gedankenaustausch zum besseren Verständnis der US-Außenpolitik und der internationalen Beziehungen beizutragen«. Der amerikanische Politologe William Domhoff nannte den CFR 1975 »das entscheidende Verbindungsglied zwischen den großen Konzernen und der Regierung«.
Seit 1922 gibt der Rat das Magazin Foreign Affairs heraus, in dessen neuester Ausgabe ein außerordentlich interessanter Artikel zu finden ist, den der konservative Geschichtsprofessor Niall Ferguson verfaßt hat. Unter dem Titel »Complexity and Collapse – Empires on the Edge of Chaos« (Komplexität und Kollaps – Imperien am Rande des Chaos) befaßt sich der an den Universitäten von Harvard und Oxford lehrende Historiker in seinem Artikel mit der Frage, was die bisherigen Weltreiche der Menschheitsgeschichte in ihren Untergang führte. Nach Fergusons Grundthese können große und mächtige Imperien schon innerhalb der kurzen Zeitspanne eines Menschenlebens oder sogar weniger niedergehen.
Nach dem gründlichen Studium der Forschungsergebnisse zahlreicher Historiker und Wissenschaftler kommt Ferguson in seinem Artikel zu dem Schluß, daß Imperien wie das Römische Reich, das französische Imperium, das britische Empire, die chinesischen Ming- und Jin-Dynastien, das Osmanische Reich und das russische Zarenreich zum Teil Jahrhunderte überdauerten und weltweite Macht entfalteten. Dennoch erfuhren sie aus unterschiedlichen Gründen ihren Zusammenbruch. Bei einigen waren es ökonomische Probleme, nicht selten vertieft durch militärische Abenteuer, wie das französische Beispiel gezeigt hat. Frankreich stärkte die flügge werdenden Vereinigten Staaten von Amerika mit Geld und Soldaten im Kampf gegen die Kolonialmacht Großbritannien, Frankreichs historischen Erzfeind. Kaum zwei Jahrzehnte später aber lag Frankreich praktisch am Boden, und das Volk zog gegen das Königshaus auf die Straße. Es dauerte nur wenige Jahre, bis das Land von einer tiefgreifenden Revolution erschüttert und König Ludwig der XVI. enthauptet wurde.
Das Römische Reich, Europas Glanz und Gloria, zerbrach durch das Zusammenwirken interner und externer Kräfte. Im Verlauf von fünfzig Jahren schrumpfte die Bevölkerung des Reiches um 75 Prozent. Vandalen fielen in das Reich ein, ehemalige römische Legionäre drehten den Spieß um und kämpften als Briganten gegen Rom. Die Ost-West-Teilung zwischen Rom und Konstantinopel schwächte das Römische Reich. Nach Ferguson hat der Fall Roms weniger als eine Generation gedauert.
Der Autor erteilt mit seinem Artikel nicht nur glänzenden Geschichtsunterricht, sondern er lenkt mit seinen Ausführungen das besondere Augenmerk auf die Vereinigten Staaten, eines der reichsten und mächtigsten Imperien der Geschichte. Das Resümee seines Artikels lautet: »Der Kollaps eines Imperiums kann viel schneller kommen, als es sich viele Historiker vorstellen mögen. Es ist möglich, daß die Vereinigten Staaten wegen einer Kombination aus finanziellen Defiziten und einem übersteigerten militärischen Engagement schon bald das nächste Imperium sind, das am Abgrund steht.«
Ferguson warnt davor, daß selbst jene Weltreiche, die unbezwingbar erscheinen, an einem Zusammenspiel verschiedener Krankheiten leiden können – finanziellen Krisen, militärischen Rückschlägen, Umweltzerstörung und vielem mehr – und letztendlich daran zerbrechen können wie ein rohes Ei. Das ist die Lehre der Geschichte: kein Imperium besteht ewig.

 
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