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+++IVK-News-Ticker / 6. November 2009+++IVK-News-Ticker+++

06.11.09 (von ivk) Wir veröffentlichen im vollen Wortlaut die aktuelle Erklärung von Robert R. Bryan, Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal, aus San Francisco: »Das Leben Mumia Abu-Jamals ist seit seiner Verhaftung 1981 noch nie so sehr in Gefahr gewesen wie jetzt. Ich kämpfe um sein Leben! In der Kampagne für sein Leben und seine Freiheit ist die öffentliche Unterstützung jetzt von entscheidender Bedeutung.«

IVK-News-Ticker Nr. 13 / 6. November 2009

Aktuelle Stellungnahme von Rechtsanwalt Robert R. Bryan, San Francisco, zur Situation seines Mandanten Mumia Abu-Jamal

30. Oktober 2009

Liebe Freundinnen und Freunde,
in den fast drei Jahrzehnten, die Mumia Abu-Jamal in den Todestrakten Pennsylvanias eingesperrt ist, ist er zu einem Symbol der Kampagne gegen die Todesstrafe und weitere Menschenrechtsverletzungen geworden. Die Verantwortlichen in den USA bemühen sich nun verstärkt, ihn in die Hände seiner Henker zu übergeben. Das Leben Mumia Abu-Jamals ist seit seiner Verhaftung 1981 noch nie so sehr in Gefahr gewesen wie jetzt. Ich kämpfe um sein Leben. In der Kampagne für sein Leben und seine Freiheit ist die öffentliche Unterstützung jetzt von entscheidender Bedeutung.
Es folgt ein Überblick über die aktuell wichtigsten Entwicklungen:

1. U.S. Supreme Court – Oberster Gerichtshof der USA
Wir führen weiterhin die juristische Auseindersetzung vor dem Supreme Court. Im letzten Jahr [27. März 2008] entschied das Bundesberufungsbericht für den 3. Bezirk, Philadelphia, dass eine neue Jury noch einmal über das Strafmaß gegen meinen Mandanten befinden müsse – also Bestätigung der Todesstrafe oder lebenslange Haft. Dieser juristische Teilerfolg erlangte niemals Rechtskraft, weil die Staatsanwaltschaft vor dem Supreme Court in Berufung ging. Diese Sache ist weiterhin ein schwebendes Verfahren, weshalb Mumia sich nach wie vor aufgrund des Todesurteils [vom Juli 1982] im Todestrakt befindet.
Auch wenn die wichtigsten Anträge in dieser Sache dem Gericht vorliegen, hat der Supreme Court noch keine Entscheidung getroffen, weil zuvor noch eine andere Entscheidung im Fall Smith v. Spisak aus dem Bundesstaat Ohio anhängig ist. Hierbei geht es auch um die falsche Belehrung der Geschworenen in der Prozeßphase der Strafzumessung. In Mumias Fall waren die Geschworenen belehrt worden, dass sie nur dann mildernde Umstände berücksichtigen dürften, wenn alle zwölf Geschorenen dies einstimmig täten.
Im Fall Spisak hat der Supreme Court am 13. Oktober 2009 eine mündliche Anhörung durchgeführt. Mumia und ich sind besorgt über den Effekt, den dieser Fall auf den meines Mandanten haben könnte, weil er einer der schlimmsten ist, den man sich vorstellen kann. Shannon P. Duffy hat es am nächsten Tag im Legal Intelligencer [einer Juristenzeitschrift] auf den Punkt gebracht: »In dieser bizarren Verquickung zweier Schicksale muss Mumia Abu-Jamal erkennen, dass sein Leben vom Ausgang der Verhandlung über den Fall eines Neo-Nazis und dreifachen Mörders abhängt, der zu seiner Verhandlung mit einem Hitler-Bärtchen erschien und voller Stolz Zeugnis von seinem Wunsch ablegte, Schwarze, Juden und Schwule umzubringen.« Die Ironie ist, dass sich Mumia als Journalist und Autor sein Leben lang gegen Rassismus, Diskriminierung jeder Art, Ungleichheit und Menschenrechtsverletzungen ausgesprochen hat.
Mein Büro ist in der letzten Zeit oft gefragt worden, wann mit der Entscheidung des Suprem Court zu rechnen ist, wie ich es einschätze, was im Fall Spisak passiert ist und wie der Oberste Gerichtshof entscheiden wird.
Erstens erwarte ich eine Entscheidung innerhalb von zwei Monaten, auch wenn es immer problematisch ist, solche Vorhersagen zu machen. Zweitens unterscheidet sich der Fall Spisak erheblich von dem meines Mandanten. Am wichtigsten ist, dass die maßgebliche Entscheidung im Fall Mills v. Maryland zwar anwendbar ist auf Mumias Fall, aber nicht auf den von Spisak. [Einschub: Nach der Grundsatzentscheidung des Supreme Court im Fall Mills v. Maryland müssen die Geschworenen zwingend darüber belehrt werden, dass sie in der Frage mildernder Umstände, durch die ein Todesurteil verhindert werden kann, KEIN einstimmiges Votum abzugeben brauchen.]
Der Fall Mills wurde 1988 entschieden, ein Jahr bevor das Urteil gegen Mumia vom Obersten Gerichtshof Pennsylvanias für rechtskräftig erklärt wurde. Das Urteil im Fall Spisak hatte jedoch schon vor der Grundsatzentscheidung des Supreme Court im Fall MillsRechtskraft erlangt. Mills kann aber nicht rückwirkend zur Anwendung kommen. Der Fall Spisak betrifft sowohl die Frage der falschen Geschworenenbelehrung als auch die Inkompetenz des Pflichtverteidigers bei der rechtlichen Argumentation in der Prozessphase der Strafzumessung. Aber nur ersteres hat Bedeutung für Mumia.
Die Anhörung vor dem Supreme Court im Fall Spisak war sehr lebhaft, weil die [neue, von Obama ernannte] Richterin Sonia Sotomayor gleich zu Beginn den Staatsanwalt aus Ohio befragte, inwieweit die Mills-Entscheidung überhaupt anwendbar sei, da sie doch erst ergangen war, nachdem im Fall Spisak Rechtskraft eingetreten war. Alle Richter hatten Fragen, ausgenommen Richter Clarence Thomas. Mein Eindruck am Ende des Tages war der, dass einige der Richter klar entschlossen waren, wegen der rechtlichen Inkompetenz [des Pflichtverteidigers] das Urteil in dem Fall aus Ohio aufzuheben. Ob es für eine solche Entscheidung genug Stimmen unter den Richtern gibt, muss sich aber noch zeigen. Richterin Ruth Bader Ginsburg und Richter Samuel A. Alito Jr. störten sich ganz klar an der schwachen juristischen Argumentation des Pflichtverteidigers in der Frage der Belehrung über die mildernden Umstände, während Richter Anthony Scalia sie hingegen für »brilliant« hielt. Sofern diese Belehrungsfrage Mumia betrifft, ist das Vorgehen des Supreme Court schwer einschätzbar, weil das Gericht verschiedene Wege beschreiten kann. Einerseits kann es sein, dass die Frage gar nicht behandelt wird, weil der Supreme Court Mills nicht für anwendbar hält oder weil das Gericht findet, dass die Todesstrafe trotz der Inkompetenz des Pflichtverteidigers nicht in Frage steht. Andererseits kann das Gericht sich auch mit Mills befassen, wovon die Situation meines Mandanten auf verschiedene Weise berührt wäre.

2. Oberster Gerichtshof Pennsylvanias
Wir führen auch juristische Auseinandersetzungen um die Glaubwürdigkeit ballistischer Beweismittel, wie sie [von der Staatsanwaltschaft 1982] im Prozess präsentiert wurden. Am 20. April 2009 hatten wir vor dem Staatsgericht (Court of Common Pleas) in Philadelphia einen Habeas-Corpus-Antrag gestellt. Dieser Antrag, der auf neu entdeckten Beweismitteln basiert, wurde ohne mündliche Anhörung am 27. Mai 2009 abgelehnt. Dagegen haben wir vor dem Obersten Gerichtshof Pennsylvanias Berufung eingelegt.

3. Aktuelle Entwicklungen der Solidaritätskampagne

a) BR Deutschland. Hier gibt es Organisationen und Individuen, die unglaubliche Dinge tun, um Mumia zu retten. Ihre Arbeit ist ein Beispiel positiven politischen Handelns. Im vergangenen Frühjahr fand in Berlin in der Akademie der Künste vor großem Publikum eine Podiumsdiskussion über Mumia statt. Die Veranstaltung begann mit einem Ausschnitt aus dem Film »In Prison My Whole Life« Das Podium war folgendermaßen besetzt: Madame Danielle Mitterrand, die frühere First Lady Frankreichs; Klaus Staeck, Präsident der Akademie; Johano Strasser, Präsident des Deutschen P.E.N.; Günter Wallraff, ein sehr bekannter Autor; Gerhart Rudolf Baum, ein früherer Bundesinnenminister und Repräsentant der Vereinten Nationen; und ich selbst. Die Veranstaltung wurde auf Video aufgezeichnet und ist hier anzusehen:
Bitte hier klicken!

b) Niederlande und Welttag gegen die Todesstrafe. Am 10. Oktober, dem alljährlichen Welttag gegen die Todesstrafe, war ich von Amnesty International eingeladen, in den Niederlanden über Mumia zu sprechen. Dazu gehörte ein Vortrag an der Juristischen Fakultät der angesehenen Universität von Utrecht, unterstützt von Ad Informandum. Mein Thema: »Mumia Abu-Jamal und die Todesstrafe: Eine globale Krise der Menschenrechte«. Das war eine großartige Erfahrung, weil ich lange nicht solch intelligenten und wissbegierigen Studierenden begegnet bin. Sie interessierten sich sehr dafür, warum die USA gemeinsam mit Iran, China und Saudi Arabien immer noch Menschen hinrichten. Ich sprach auch auf Veranstaltungen, auf denen der Film »In Prison My Whole Life« über meinen Mandanten und die Todesstrafe gezeigt wurde. Mumia und ich danken besonders Stef Arens von Amnesty International, der diese Veranstaltungen organisiert hatte. Ein weiterer Höhepunkt war die Begegnung mit Arlette Stuip, die früher zusammen mit Mumia das Goddard College besucht hatte. Sie und ihr Mann Tom sind immer noch gute Freunde von Mumia.

c) Reporter ohne Grenzen, Paris. Kürzlich hat Reporters Sans Frontieres ein Video-Interview veröffentlicht, in dem es um Mumia und die letzten Entwicklungen in seinem Fall geht. Man kann es in Englisch mit französischen Untertiteln ansehen:
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4. Spendensammlung für Mumias Verteidigung in und um Deutschland
Die juristische Verteidigung ist die vorderste Kampflinie für Mumias Leben und Freiheit. Seine Verteidigung braucht dringend Unterstützung. Die Kosten unserer beim Supreme Court und anderen Gerichtenen eingelegten Rechtsmittel sind beträchtlich. Wer helfen möchte, überweise in Deutschland und den europäischen Nachbarländern bitte auf folgendes Spendenkonto des Bremer IVK:

Archiv 92/Sonderkonto Jamal
S.E.B. Bank Bremen
Konto-Nr. 100 8738 701 (BLZ 290 101 11)
Stichwort »Verteidigung«
(Überweisungen aus EU-Ländern:
IBAN DE78 2901 0111 1008 7387 01 – BIC: ESSEDE5F290)

Fazit
Mumia ist in großer Gefahr. In meiner beruflichen Laufbahn habe ich viele Gefangene, die von der Todesstrafe bedroht waren, erfolgreich verteidigt. Mein Ziel ist, Mumias Leben zu retten und seine Freiheit zu erstreiten.

Mit besten Wünschen und Grüßen,
Robert R. Bryan / Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal
Law Offices
2088 Union Street, Suite 4
San Francisco, California 94123-4117

[Übersetzung: IVK Bremen]

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