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Kolumne 18.07.09: Untergang der Titanen

18.07.09 (von maj) Die Entzauberung von General Motors steht symbolisch für weite Teile der US-Wirtschaft

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 164 - 18./19. Juli 2009

Als General Motors (GM) am 1. Juni 2009 vor ein US-Insolvenzgericht zitiert wurde, schrieb der Konzern sogar mit seinem als »strukturelle Insolvenz« beschönigten Niedergang noch Geschichte. Einst galt er als Gigant, als Titan der US-Industrie. Noch 2006 betrug sein Umsatz 207 Milliarden US-Dollar, auch wenn das Bilanzergebnis am Ende mit minus 1,9 Millarden Dollar negativ ausfiel. Seit 2004 hatte das Unternehmen 88 Milliarden Dollar Schulden angehäuft. Vor drei Jahren stand der Konzern mit seinem Umsatz noch an dritter Stelle aller US-Unternehmen. Aber wie wir wissen, kann auch ein Titan untergehen.
Heute ist GM aus der Liste des Dow-Jones-Index gestrichen, weil sein Aktienkurs auf unter einen Dollar abgestürzt ist. Die US-Regierung hat bereits Milliarden an Steuermitteln in das Unternehmen gepumpt, ohne sicher sein zu können, daß davon je wieder etwas in die Staatskasse zurückfließt.
Mit Marken wie Chevrolet, Pontiac, Cadillac, Buick, Saab und Saturn war GM zum größten Automobilhersteller der USA aufgestiegen. Einige Modelle werden nicht mehr hergestellt, andere werden weiter verkauft. GM baute auch den Hummer, ein spritfressendes »Sport Utility Vehicle« (SUV), dessen militärische Variante von der US-Armee während des ersten Irak-Feldzugs medienwirksam in Szene gesetzt wurde. Nach letzten Medienberichten wurde der Hummer nun an einen chinesischen Hersteller verkauft.
Einige Kritiker aus dem US-Kongreß und den bürgerlichen Medien schieben die ökonomischen Probleme des Konzerns auf die hohen Löhne, die GM seinen Belegschaften zahlte, und die sogenannten Erblasten, womit nichts anderes gemeint ist als die Betriebsrenten der Ruheständler. Auch nach dem Zusammenbruch dieses Geschäftsmodells spricht aus dieser Art Kritik eine antigewerkschaftliche Feindseligkeit der Eliten in Politik und Medien. Nicht wenige dieser Kritiker priesen vor Jahren noch das Nord­amerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) als »gut fürs Geschäft« und deshalb »gut für Amerika«, verschwiegen aber, daß gerade NAFTA durch seine Anreize, Produktionsstätten in Billiglohnländer zu verlegen, mit zu den Problemen der US-Ökonomie beigetragen hat.
Nur Verblendete glauben wirklich daran, daß die Fließbandarbeiter bei GM – so gut sie auch gewerkschaftlich organisiert gewesen sein mögen – mitentscheiden konnten, wie und wo produziert wird und welchen Automodellen dabei der Vorzug gegeben wurde. GM litt in Wahrheit an der Kurzsichtigkeit des Managements, das nicht in der Lage war, sich den veränderten Erfordernissen des Marktes anzupassen.
Vor dreißig Jahren, als sich die USA mit einer Ölkrise konfrontiert sahen, tauchten in den USA plötzlich Kleinwagen auf. Als sich der Ölpreis wieder stabilisierte, bauten die US-Automobilhersteller gigantische Flotten von Geländewagen, die vor allem von jenen US-Bürgern gekauft wurden, die gern das zivile Äquivalent zu einem Panzer in ihrer Garage stehen haben wollten. Die 2007 beginnende Krise setzte dieser Vorliebe ein jähes Ende, doch die US-Automobilindustrie hatte kein Einsehen und produzierte stur weiter wie bisher. Hersteller aus Korea und Japan verstanden die Zeichen der Zeit besser und bauten sichere Autos zu erschwinglichen Preisen mit erweiterten Garantieleistungen und dehnten ihren kundenfreundlichen Service auf die ganzen USA aus. Weitere asiatische Unternehmen schlossen bald auf, und die indische Tata Motors, die mit dem Nano für 2000 US-Dollar den billigsten Kleinwagen der Welt baut, übernahm ehemals noble britische Marken wie Jaguar und Rover.
Der Spruch der US-Autobauer »Wir sind zu groß, um scheitern zu können« erwies sich als reine politische Propaganda und hielt gegenüber den ökonomischen Gegebenheiten nicht stand. Nach der klassischen kapitalistischen Lehre überlebt ein Unternehmen dann, wenn es mit dem Verkauf von Produkten auch gute Profite macht. Das ist nicht mehr die Realität von GM und weiten Teilen der US-Wirtschaft. Die Politik versucht, dieses Problem nur zu kaschieren, lösen kann sie es nicht.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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