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Kolumne 28.02.09: Herzen und Elektroschocks

28.02.09 (von maj) Warum Obamas gigantisches Rettungspaket für Banken die Wirtschaft nicht retten kann

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 50 - 28. Febr./1. März 2009

Die Wirtschaft eines Landes ist immer das Ergebnis komplexer Vorgänge, was sich auch in den divergierenden Standpunkten der Ökonomen zeigt. Deren Meinungen darüber, was dem kapitalistischen Big Business nützt oder schadet, oft weit auseinander gehen. Im wesentlichen verläuft die Konfliktlinie bei den Wirtschaftswissenschaftlern zwischen der klassischen bürgerlichen Lehre und jenen Theorien, die sich auf Keynes berufen. Erstere behauptet, daß sich die Märkte selbst regulieren, die letzteren vertreten die These, daß der Markt durch die staatliche Finanzpolitik geformt und gelenkt werden muß
Auf die Lehren des Briten John Maynard Keynes (1883–1946) geht auch der jüngste Konjunkturanreiz zurück, das Rettungspaket für die Banken und Kreditinstitute. Damit soll versucht werden, die aktuelle Krise im Finanz- und Wirtschaftssektor mittels einer aggressiven expansionistischen Finanzpolitik zu beeinflussen. Aber es scheint, daß die in Wahrheit kaum in der Lage sein werden, die Konjunktur zu stimulieren, sondern eher eine aus der Not geborene Verlegenheitslösung sind. Etwas, das dem Sterben nahe ist, kann man nicht mehr stimulieren.
Anders gesagt: Wenn bei einem Patienten das Herz stehenbleibt, dann kann man es zwar durch starke Stromstöße wieder in Gang setzen, aber selbst wenn es dann wieder schlägt, ist damit noch lange nicht die Ursache beseitigt, die den Herzstillstand ausgelöst hat. Einen medizinischen (oder ökonomischen) Defibrillator setzt man erst ein, wenn der Kreislauf zusammengebrochen ist. Aber die jetzt ergriffenen Maßnahmen können keine Wirkung entfalten, weil die US-Wirtschaft sich schon sehr lange in einem äußerst bedenklichen Zustand befindet und sich niemand traut, an die wirklichen Ursachen heranzugehen.
Einige der Probleme können auf die Ära des unter Präsident William Clinton durchgesetzten Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) zurückgeführt werden. Auf der Basis von NAFTA wurden die Schwerpunkte der US-Wirtschaft mit großem Nachdruck auf die Bereiche Information und Finanzdienstleistungen verlagert. Die industrielle Produktion verlagerte man bedenkenlos ins Ausland, nur weil dort die Arbeitskräfte billiger sind.
Auf dem Ausbildungssektor wurden allerdings keinerlei Anstrengungen unternommen, sich an diese dramatischen Veränderungen in der Wirtschaft anzupassen. Statt dessen wurde unter der Regierung von George W. Bush ein Jahrzehnt mit irrelevanten Auseinandersetzungen über das »No Child Left Behind«-Programm verplempert. Damit sollte angeblich erreicht werden, daß kein Kind aus dem Bildungsprozeß herausfällt. Für Millionen Kinder und Jugendliche wurde die Schule aber gerade in dieser Zeit zu einem Ort, der sie eher auf das Gefängnis vorbereitete, als daß sie dort etwas Bedeutendes für ihr zukünftiges Arbeitsleben gelernt hätten.
Parallel dazu verwandelten sich ganze Industriestandorte in Brachlandschaften, und die Reallöhne sanken Jahr für Jahr tiefer in den Keller. Kein Wunder also, daß es unter diesen Umständen zu einem dramatischen Absturz der Wirtschaft kam. Von den Geldströmen, die durch die US-Ökonomie fließen, entstammen über 70 Prozent dem privaten Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen, was nichts anderes heißt, als daß die Wirtschaft mit der Nachfrage der Verbraucher steht und fällt. In Zahlen ausgedrückt: 2006 betrug das Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten über 13 Billionen US-Dollar. Der private Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen belief sich auf über neun Billionen US-Dollar. Der Nettoeffekt der Arbeitslosigkeit und der sinkenden Löhne wurde sichtbar als ein gewaltiger Schlag mitten in das Herz der Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, daß die unter der neuen US-Regierung von Barack Obama als Rettungspaket beschlossenen 750 Milliarden Dollar eine Linderung der Krise bringen können. Wenn das grundlegende Übel nicht endlich zur Kenntnis genommen und an seiner Wurzel gepackt wird, werden diese Probleme fortbestehen, und die Wirtschaft wird sich weiter dahinschleppen – bis zur nächsten Herzattacke.

(Übersetzung: Jürgen Heiser)

 
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