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Kolumne 22.11.08: Die Geier des Kapitals

22.11.08 (von maj) Die Verwüstungen der Gesellschaft rund um den Globus entspringen dem Primat des Kapitalismus

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 273 - 22./23. Nov. 2008

Seit der Auflösung der Sowjet­union (UdSSR) konnte der US-Dollar rund um die Welt ungehindert seine Herrschaft ausbauen und verheerende Verwüstungen anrichten. Die Gründe dafür sind weniger ideologischer, sondern eher praktischer Natur. Sie entspringen dem Primat des Kapitalismus, dem Durchsetzen des Profitstrebens »mit allen notwendigen Mitteln«, um es einmal mit den Worten von Malcolm X, dem 1965 in New York ermordete Revolutionär der schwarzen Bürger- und Menschenrechtsbewegung, auszudrücken.
Auf der ökonomischen Ebene sahen wir den Aufstieg der Theorien des verstorbenen Milton Friedman, der für eine »reine« Form des Kapitalismus eintrat, die weder durch Regelwerke eingeschränkt, noch durch die bornierten Interessen des Nationalismus im Zaum gehalten wird. In den 1990er Jahren trieben die Anhänger Friedmans ihr Unwesen rund um den Globus, hoben Diktaturen in Lateinamerika und Asien auf den Schild, weil sie nützlich waren für die Profite der multinationalen Konzerne. Die Profitgier übertrumpfte alles, und die Durchsetzung dieses Prinzips war das oberste Gebot bei allen Überlegungen.
Die Methode der Friedman-Jünger hieß »strukturelle Angleichung«, zu ihrer Umsetzung forderten die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank vorangetriebenen Programme von den betroffenen Ländern die Kürzung der Sozialetats, die Beseitigung von Handelsbarrieren und die Öffnung ihrer Märkte, um ausländischen Unternehmen die Möglichkeit zu bieten, diese nationalen Ökonomien auszuplündern. Andernfalls gab es keine Kredite des IWF.
Länder wie Chile, Argentinien, Bolivien und die vielen anderen, die sich diesem Diktat unterwarfen, gerieten in eine Spirale von Depression und sozialen Katastrophen. In einem dieser lateinamerikanischen Länder wurde die Währung derart entwertet, daß sich bis heute die Legende hält, man habe mit den Geldscheinen Wände tapeziert – weil das billiger war, als sich Tapete zu kaufen.
Davison Budhoo, ein Wirtschaftsfachmann, der viele Jahre für den IWF gearbeitet hat, trat angesichts dieser Politik von seinem Posten zurück. Naomi Klein zitiert in ihrem Buch »The Shock Doctrine: The Rise of Disaster Capitalism« Budhoos an die IWF-Führung gerichtete Rücktrittserklärung. Darin kritisierte er sehr scharf deren Praktiken und warf ihr vor, »...bei den Regierungen und Bevölkerungen Lateinamerikas und der Karibik mit Ihrer Wundermedizin und Ihrer Trickkiste hausieren zu gehen. Für mich ist deshalb mein Rücktritt ein unschätzbarer Akt der Befreiung, weil ich damit den ersten Schritt vollzogen habe auf meinem Weg, das Blut von meinen Händen zu waschen, das nach meiner Meinung [durch Ihre Politik] von Millionen armen und hungernden Menschen vergossen wird«.
Die Architekten dieser ökonomischen Strategie gründeten ihre Geschäftemacherei auf zügellose Ausbeutung oder das Erzeugen von Schocks, weil es einfacher war, unter solchen Bedingungen neue Regula­rien durchzusetzen, mit denen soziale Netzwerke geschwächt und der Einfluß ausländischen Kapitals gestärkt werden konnte. Die so erzeugten Krisen konnten natürliche, politische oder ökonomische Ursachen haben, das Ergebnis war immer das gleiche: Zerstörung und Desorientierung. Bedingungen also, die einer stärkeren Ausbeutung der Bevölkerung durch in- oder ausländische Oligarchen Vorschub leisteten.
Aber die Kräfte des Kapitals, einmal von der Leine gelassen, entwickeln ihre eigene Dynamik. Ruhelos, gefräßig, immer gierig nach Profit, sind sie nun an ihren Ausgangspunkt zurückgekehrt und treiben ihr Unwesen auch dort. Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise, geboren aus einer zügellosen Habgier, hat erschreckende und zerstörerische Auswirkungen. Doch sie bietet einigen Kräften immer noch ungeheure Möglichkeiten, aus den Börsencrashs Profit zu schlagen und sich angeschlagene Unternehmen für einen Apfel und ein Ei unter den Nagel zu reißen. Malcolm X hat den Tod Präsident John F. Kennedys 1963 als ein Beispiel dafür benannt, daß die Gewalt auf ihre Urheber zurückfalle. Nun sind die Geier des Kapitals zurückgekehrt und machen sich über den Leib jener Gesellschaften her, von denen aus sie in alle Welt geschickt wurden. Sie werden sich solange am Fleisch dieses Leibes sattfressen, bis nur noch die Knochen übrig sind. Das ist die Realität des entfesselten Kapitalismus. Und das wird so weitergehen, bis wir diesem Tun Einhalt gebieten.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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