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Kolumne 11.10.08: Staat – Lakai des Kapitals

11.10.08 (von maj) Wie kriminelle Hütchenspieler im Bunde mit der Polizei weltweit wehrlose Passanten schröpfen

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 238 - 11./12. Okt. 2008

US-Republikaner und Demokraten haben lange darum gerungen, aber am Ende haben sie doch gemeinsam das Rettungspaket für die Finanzwirtschaft in den USA geschnürt: 700 Milliarden US-Dollar – einer der größten Geldtransfers in der Geschichte. Aber auch diese gigantische Summe wird nicht wirklich heilen können, woran die Nation krankt. Sie wankt und schwankt weiter durch das Weltgeschehen wie ein betrunkener Seemann beim Landgang.
Die Gründe dafür sind leicht zu verstehen, denn die Probleme liegen im System. Sie entspringen einem Finanzsystem, dessen gierige Maschinerie uns alle erfaßt. Ihre Funktion und Wirkung erinnert an die komplexen Apparate, die der US-Cartoonist Rube Goldberg ersann. Seine Maschinen erledigen sehr einfache Aufgabe unnötig langsam und umständlich, indem Konservendosen, Kugeln und andere Dinge so miteinander verbunden werden, daß sie eine Kettenreaktion auslösen, die erst ganz zum Schluß den eigentlichen Zweck der Maschine erfüllt. Das Finanzkapital hat seine Transmissionsriemen so geschickt auf das Räderwerk der parlamentarischen Demokratien gelegt, daß sie wunderbar für seine Interessen funktionieren und unermüdlich Steuergelder in den unersättlichen Schlund der Maschine schaufeln.
Jetzt schlagen die staatlichen Institutionen täglich Alarm. Warum aber wurde kein Alarm ausgelöst, als Millionen Menschen in den USA ihr Zuhause durch Zwangsvollstreckungen verloren, weil sie die steigenden Hypothekenzinsen nicht mehr zahlen konnten? Warum schrillten keine Alarmglocken, als Millionen Menschen in der Industrie durch Lohndumping und Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer ihre Jobs verloren? Warum blieb alles still, als der Lebensstandard ins Bodenlose fiel und die heutigen Nettolöhne auf den Stand von 1973 zurückgingen?
Es gab keinen Alarm, weil all diese Vorgänge als die »ordnende Hand des Marktes« angesehen wurden, die nivellierende Wirkung der Globalisierung, die neue Weltordnung auf ihrem Vormarsch als Wegbereiterin des triumphalen »Kapitalismus über alles, über alles in der Welt!«
Nur wenige Politiker sprechen das wachsende soziale Elend öffentlich an, noch weniger machen spürbar etwas dafür, die materielle Not zu lindern. Die Mehrheit der politischen Elite ist trunken vom süßen Wein der Globalisierung. Erst als die Pleitewelle von den Zwangsvollstreckungen der Eigenheime auch die Banken erfaßte und auf die großen Investment- und Versicherungshäuser übergriff, da erwachte der US-Kongreß aus seinem Delirium und läutete unüberhörbar die Alarmglocken. »Das ist ein ökonomischer 11. September!« schrien die einen, »ein finanzieller Tsunami!« die anderen.
Als Millionen US-Bürger mit den ruinösen Subprime-Kredtiten hereingelegt und sie und ihre Familien in der Folge in die Insolvenz getrieben wurden, blieb es still im Kongreß und in den Medien. Keine helfende Hand wurde denen entgegengestreckt, die Gefahr liefen, mit dem, was ihr Lebenswerk sein sollte, Schiffbruch zu erleiden. Keine einzige Hand. Nicht eine. Wäre ihnen von den verantwortlichen staatlichen Stellen Hilfe zuteil geworden, vielleicht hätte die gegenwärtige ökonomische Krise gemildert werden können.
Statt dessen befinden wir uns in einer Situation, in der ein Hütchenspieler an der Straßenecke seinen Stand aufbaut. Polizisten sehen das und stellen sich um den Stand. Anstatt aber den Betrüger dingfest zu machen, halten sie Passanten an, verlangen die Herausgabe ihrer Geldbörsen und teilen sich die Beute mit dem Hütchenspieler. Letzterer ist in dieser modernen Räuberpistole das Finanzkapital. Die Polizisten sind natürlich die Kongreßabgeordneten. Und die Passanten? Das sind wir alle – betrogen und ausgeplündert von beiden.
Karl Marx und Friedrich Engels schrieben vor 160 Jahren, daß der Staat Lakai des Kapitals ist. Nach allem, was wir jetzt täglich erleben – wer würde diese Worte noch anzweifeln?

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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