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Der Kampf um Befreiung ist keine Sportveranstaltung. Über das Buch »Wettlauf gegen den Tod« von Dr. Michael Schiffmann

03.02.07 (von ivk) Von Jürgen Heiser. Der Rezensent war vor knapp 18 Jahren Mitbegründer der Solidaritätskampagne für Mumia Abu-Jamal im deutschsprachigen Raum, ist mit Mumia Abu-Jamal befreundet, besucht ihn seit 1990 und arbeitet eng mit dessen Verteidigungsteam zusammen

Im Oktober 2006 erschien im Wiener Promedia Verlag das Buch »Wettlauf gegen den Tod. Mumia Abu-Jamal: ein schwarzer Revolutionär im weißen Amerika«. Autor ist Dr. Michael Schiffmann, als Linguistiker teilzeitbeschäftigt am Anglistischen Seminar der Universität Heidelberg.
Sein Buch erscheint in einer Zeit, in der Mumia Abu-Jamals Kampf um sein Leben und seine Freiheit bereits seit 25 Jahren andauert und nun in eine äußerst kritische Phase eintritt: im Jahr 2007 wird das 3. Bundesberufungsgericht in Philadelphia darüber entscheiden, ob die US-Justiz Mumia Abu-Jamal einen neuen Prozeß gewährt, sein Todesurteil in lebenslange Haft umwandelt oder ob sie ihn hinrichten lassen wird. Weil er zu einem Symbol für Gegner und Befürworter der Todesstrafe geworden ist und gerade an seinem Fall exemplarisch der Disput über die Barbarei der Todesstrafe öffentlich ausgetragen wird, zieht jede Publikation in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit auf sich, und jeder Autor muß sich fragen lassen, ob er in einer Weise Stellung zu diesem Fall bezieht, die dem Subjekt des Verfahrens, Mumia Abu-Jamal, nützt oder schadet.

Subjektive und objektive Bestimmung: Werkzeug wofür?
Schiffmann hat das Buch nicht als gezielten Beitrag zur Kampagne geschrieben. Das Internationale Verteidigungskomitee Bremen (IVK) erhält regelmäßig Nachfragen von Schülerinnen und Schülern nach Material über Mumia und die Todesstrafe für Facharbeiten und Referate an ihren Schulen. Wenn man im Schulalltag das Nützliche mit dem selbstbestimmt Lehrreichen und Interessanten verbinden kann, dann ist das objektiv eine gute Sache. So war es im Uni-Alltag auch für Schiffmann, für den das Thema, das sein Interesse geweckt hatte, zum ordentlichen Nachweis seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der Universität wurde. Was wir vorliegen haben, ist also die leicht überarbeitete Veröffentlichung seiner Promotionsschrift am Institut für Anglistik an der Uni zu Heidelberg.
Mit der Herausgabe des Buches im Wiener Promedia-Verlag wurde die Promotionsschrift allerdings in etwas anderes umgemünzt. Dort und explizit auch in der seit Herbst 2006 laufenden Lesereise des Autors wird ihr der Charakter eines Werkzeugs im Kampf für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal zugesprochen. Vor allem preist sich der Autor in seinem Werbeschreiben für Lesungen, das er z. B. an Buchhandlungen schicken läßt, selbst als »einer der besten Kenner des Falls« an - und da wird es dann zwingend, den Inhalt des Buches aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und andere Ellen anzulegen als bei den erwähnten Facharbeiten. Unter dieser Prämisse geht es nicht mehr um die subjektive Sicht des Autors auf sein Werk, sondern um seine objektive Wirkung.
Schiffmann legt uns mit seiner Promotionsschrift eine Arbeit vor, die er nicht als angehender Politikwissenschaftler, nicht als Soziologe, nicht als Philosoph, nicht als Journalist und schon gar nicht als künftiger Jurist verfaßt hat, obwohl er sich mit diesem Buch auf all diesen Feldern bewegt (worüber noch zu sprechen sein wird). Schiffmann widmet sich dem Thema von der Aufgabenstellung der Promotionsschrift her vielmehr als Sprachwissenschaftler. Das macht einerseits neugierig, andererseits stellt dieses eine Herausforderung an den wissenschaftlichen Arbeitsstil dar. Liest man es, stellt man jedoch nur fest, daß Schiffmann fleißig Quellen zusammengetragen und in englischer und deutscher Sprache veröffentlicht hat. Neue wissenschaftliche Ansätze oder Erkenntnisse lassen sich nicht erschließen oder entdecken. Oder anders gesagt: es zeigt sich schon hier, ohne die Substanz schon nachhaltig untersucht zu haben, der begrenzte Fokus, mit welchem der Autor das Thema aufgegriffen hat.

Mit der Sprache der Herrschenden brechen
George Pumphrey hat im Januar 2006 in seiner Analyse, warum Stanley »Tookie« Williams im Dezember 2005 auf Befehl von Gouverneur Schwarzenegger hingerichtet wurde, einen entscheidenden Satz geschrieben: »Um eine effektive Lösung für ein Problem zu finden, muß man mit der korrekten Definition des Problems beginnen. Dies beginnt damit, sich von der Sprache des Systems und wie das System das betreffende Problem definiert, zu befreien.« (1)
Schon hier, auf seinem eigentlichen Fachgebiet, versetzt uns Autor Schiffmann in Erstaunen, weil die verwendete Semantik zeigt, daß er entweder den Diskussionsstand des historischen bzw. aktuellen antirassistischen Diskurses nicht kennt oder ihn überflüssig findet. In seiner Einleitung zum Buch und insbesondere (oder besser gesagt: ausgerechnet) im ersten Kapitel »Von der Bürgerrechtsbewegung zur Black Panther Party (BPP) - der schwarze Befreiungskampf nach dem Zweiten Weltkrieg« geht der Autor dermaßen sorglos mit den Begriffen »Rasse« und »rassisch« um - z. B. spricht er auf S. 17 von »politischen und rassischen Kämpfen in den Vereinigten Staaten« - daß man sich wünscht, er hätte sich wenigstens die Stellungnahme der UNESCO zu eigen gemacht, in der es heißt, »daß die molekularbiologischen Erkenntnisse über genetische Vielfalt der Menschen traditionelle Rassenkonzepte ausschließen«.
Von einem Wissenschaftler, auch einem aufgeklärt bürgerlichen, aber schon gar von einem, der sich zur Linken zählt, muß man erwarten können, daß er in einem Buch über einen Menschen wie Mumia Abu-Jamal, der u. a. wegen seines konsequenten Kampfes gegen den Rassismus in den USA im Todestrakt sitzt, sich das Grundwissen antirassistischer Politik aneignet. Auch an deutschen Universitäten gehört der Diskurs über das Verhältnis zum Begriff »Rasse« zum allgemeinen Wissensstandard, wie das Zitat aus einer Tagung der Uni Münster zeigt:
»Der Terminus Rasse erwies sich als konstitutives Element für jegliche Form von Kolonialherrschaft. Egal, welche konkrete Macht als Kolonisator auftrat, egal auch, in welcher Form die Kolonialherrschaft ausgeübt wurde - immer spielte die Entgegensetzung zweier ‚Rassen' und die behauptete Überlegenheit der kolonisierenden Ethnie eine fundamentale Rolle.« (2)

»Der ›Neger‹ ist nicht...«, schrieb Frantz Fanon (siehe vollständiges Zitat am Ende dieses Beitrages), der afrikanische Revolutionär und Psychiater, und meinte damit, daß nicht nur der Begriff, sondern auch die damit verbundenen Projektionen ein Produkt der Entfremdung sind, in denen sich die Kolonisierenden und ihre Gesellschaften verfangen haben.
Noch mehr Unverständnis erregt vor diesem Hintergrund und dem des sich seit Mitte des letzten Jahrhunderts weltweit vollziehenden Prozesses der Dekolonisierung Schiffmanns unkommentierter Umgang mit dem Begriff »Neger«, der in einigen der von ihm ausgewählten Zitate vorkommt, und mit den abfälligen Bemerkungen, wie beispielsweise auf S. 41-42, wo es um die »so genannten Unruhen von Watts« geht und sich der Reporter der rechten Washington Post, Milton Viorst, über die Aufständischen als »marodierende Banden« ausläßt. Kritiklos zitiert Schiffmann auf S. 42 den Journalisten Robert Connot und übernimmt dessen Definition von »blinder Gewalt«, wie er sie den Schwarzen zuschreibt: »In Los Angeles demonstrierte der Neger mit aller Deutlichkeit, daß er nicht mehr bereit war, die andere Wange hinzuhalten, und daß er nunmehr, frustriert und provoziert, zurückschlagen würde, ganz gleich ob die gewaltsame Antwort förderlich war oder nicht.«
Wenn es schon unumgänglich ist, solche Zitate zu verwenden, muß ein verantwortungsbewußter Autor, der sich des Themas Rassismus annimmt, heute dazu wenigstens eine editorische Notiz schreiben. Ossie Davis, den Schiffmann gegen Ende des Buches in einem anderen Zusammenhang mit einem Auszug seiner 1965 für den ermordeten Malcolm X gehaltenen Trauerrede zitiert, hat zum Problem der Sprache in eben dieser Rede gesagt: »...dieser Afro-Amerikaner Malcolm war ein Meister und peinlich genau im Gebrauch seiner Worte. Keiner kannte die Macht, die Worte über den menschlichen Geist ausüben können, besser als er. Malcolm hatte schon vor Jahren aufgehört, ein ›Negro‹ zu sein. Dieses Wort war für ihn ein wunder Punkt...« (3)
Wunde Punkte finden sich im Buch des Linguistikers Schiffmann an zahlreichen weiteren Stellen, so wenn Mumia Abu-Jamal und der seit 30 Jahren illegal inhaftierte Protagonist des American Indian Movement, Leonard Peltier, nicht schlicht politische Gefangene sind, sondern nach Schiffmann Worten »als ›politische Gefangene‹ verstandene Häftlinge«. (4)
Auch zum Begriff »Klasse« hilft Schiffmann seinen Leserinnen und Lesern nicht weiter, wenn er ihnen die »Klassenfrage« schon in der Einleitung (S. 16) an dem wegen »eines grausamen Doppelmordes angeklagte[n] Sport- und Fernsehstar[s] O.J. Simson« erklären will, der sogar als Schwarzer »trotz erheblich belastender Beweise freigesprochen wurde«. Simson mag steinreich sein und mußte nicht darauf hoffen wie Mumia Abu-Jamal, daß seine Anwälte sich damit zufrieden geben, wenigstens ihre Auslagen durch ein paar Spenden erstattet zu bekommen. Aber so vulgär-»klassenanalytisch« wie Schiffmann versuchen uns sonst eher SPD-»Linke« und manchmal sogar (reiche) Talkshow-Moderatorinnen das Verhältnis von »die da oben, wir da unten« zu illustrieren. Nur: beim kleinen Einmaleins der Klassenanalyse lehrt auch das kollektive Gedächtnis der hiesigen Linken, daß die Frage des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln das entscheidende Kriterium ist.
Dieses Buch drückt also bei näherer Betrachtung schon bezüglich seiner linguistischen und philosophischen Aspekte eher eine literarische Notlage aus, in der die Lesenden mit ihrem Unbehagen unter einer Flut von Fakten zurückgelassen werden. Und schlimmer: Es wird versucht, eine Sensationslust im Sinne der bürgerlichen Enthüllungspresse zu entfachen bzw. diese beim Leser zu bedienen. Das ist unverantwortlich angesichts der konkret anstehenden Entscheidung über Leben und Tod. Soll diese Tatsache ins Unbewußte des Lesers verdrängt werden? Beim Lesen bleibt daher ein schaler Geschmack.
Aber lassen wir das. Wenden wir uns der Substanz zu.

Dokument des »Parteiverrats« als Quelle
Auf die Substanz stößt man nach Kapiteln über die »Rassenbeziehungen« (Schiffmann) in der »Stadt der brüderlichen Liebe« Philadelphia, nach unbestreitbar richtig aufgezählten wirtschaftlichen und soziologischen Fakten über Mumia Abu-Jamals Heimatstadt, vor deren Hintergrund uns das Leben des zum Tode verurteilten Ex-Panthers und Radiojournalisten erzählt wird.
Diese Vita ist zwar fast in Gänze bei Mumia Abu-Jamals Biographen Terry Bisson (5) abgeschrieben, dennoch ist sie korrekt. Andererseits sprach deshalb eine Wiener Schriftstellerin nach Schiffmanns Lesungspremiere auf der Frankfurter Buchmesse im letzten Oktober entrüstet von einem »Plagiat« und protestierte, daß »so was in Österreich niemals als Doktorarbeit durchgehen« würde. Das bemerken aber normalerweise die Zuhörenden nicht, wenn sie nicht wie die Wiener Kollegin langjährige Mumia-Unterstützer sind und Bissons Biographie fast auswendig kennen wie sie.
Aber, so wird die geneigte Leserin dieser Rezension einwenden, das ist wieder ein Nebenschauplatz, wenden wir uns endlich der Substanz zu!
Das Buch ist unbestreitbar eine Fleißarbeit; wenn auch die eines Internet- und Aktenrechercheurs, der in der Flut seiner Quellen kaum noch Freund und Feind unterscheiden kann. Aber vielleicht ist einer seiner oft zitierten Zeitzeugen, der US-Anwalt Dan Williams, auch gar nicht sein »Feind« oder »Freund«, sondern eher ein Gesinnungskollege, der vor Jahren ein ähnliches ehrgeiziges Projekt verfolgte wie Schiffmann heute.
Dan Williams gehörte bis 2001 dem ersten Verteidigungsteam von Mumia Abu-Jamal unter der Leitung von Leonard Weinglass an. Er war damals noch ein junger, jedoch studierter und schon relativ erfahrener und eloquenter Jurist, dem es im Gegensatz zum juristischen Laien Schiffmann von seiner fachlichen Qualifikation her zugestanden hätte, ein Buch wie sein »Executing Justice - An Inside Account of the Case of Mumia Abu-Jamal« zu verfassen und zu veröffentlichen.
Leider - und das ist das Unentschuldbare - erfuhr sein Mandant Mumia Abu-Jamal im Frühjahr 2001 erst von dem Buchprojekt, als der lukrative Vertrag mit St. Martin's Press, einem New Yorker Verlag der deutschen Holtzbrinck-Gruppe, längst unterzeichnet war und das Buch kurz vor Drucklegung stand.
Als der Mandant von seinem Anwalt verlangte, die Satzfahnen sehen zu können und er sie schließlich auch bekam, mußte er zu seinem Entsetzen feststellen, daß Williams nicht nur seitenlang Interna aus den sehr kontroversen Strategiedebatten des damals vierköpfigen Verteidigungsteams vor aller Welt ausbreitete, sondern auch dem »extrem linken Flügel unserer Gesellschaft« vorwarf, die Solidaritätskampagne übernommen zu haben, was angeblich bewirkt hätte, daß der Fall »in die falsche Richtung« abdriftete.
Williams machte in seinem Buch indirekt auch die Politik der Solidaritätskampagne für eine mögliche Hinrichtung Mumias verantwortlich und stellte sie damit auf eine Stufe mit den auf seinen Tod hinarbeitenden Kräften in Polizei, Justiz und Medien.
Als Williams sich weigerte, diesen offenen Vertrauensbruch durch Nichtveröffentlichung des Buches zu kitten, mußte Mumia Abu-Jamal ihm im Frühjahr 2001 logischerweise das Mandat entziehen. Kurz Zeit später erschien das Buch unter großer Medienbegleitung. Und wie die Medien, so zitierte fürderhin insbesondere auch die Bezirksstaatsanwaltschaft von Philadelphia genüßlich aus diesem Werk, wenn es galt, Mumia Abu-Jamals Bemühungen um die Wiederaufnahme des Verfahrens oder seine weltweiten Unterstützer zu verunglimpfen.
Und als wäre das alles nicht geschehen und als wüßte Schiffmann das nicht alles sehr genau, greift er in seinem eigenen Buch oft auf Williams' Beschreibungen von juristischen Vorgängen und Entwicklungen der Solidaritätskampagne zurück. Informationen also, die dieser Anwalt (juristisch gesehen) illegal aus dem Mandantenverhältnis gezogen und ebenso illegal veröffentlicht hat.
Erst auf Seite 234 - und fast nebenbei - erwähnt Schiffmann diese dramatischen Umstände, nachdem er seinem ahnungslosen Leser diesen Dan Williams auf den hundert davorliegenden Seiten als »juristischen Chefstrategen« des Weinglass-Teams vorgestellt hatte. So hatte Williams' Verlag es auch auf das Cover dieses fast 400 Seiten langen Zeugnisses eines klassischen Parteiverrats aufdrucken lassen.
Aber damit entsprach es noch lange nicht den Tatsachen.

Sensation und Krimi-Atmosphäre, wo juristische Aufklärung gefordert wäre
Was den selbsternannten »Chefstrategen« Williams und Schiffmann, nach eigenem Bekunden ebenfalls einer der »besten Kenner des Falls«, im Wesentlichen unterscheidet, ist das Umgehen mit den Fakten und/oder Vermutungen bezüglich des Arnold Beverly, der von sich selbst behauptet, 1981 den Polizisten Daniel Faulkner »im Auftrag der Unterwelt« erschossen zu haben. Williams wollte 2001 durch die in seinem Buch frühzeitig veröffentlichten Hinweise auf Beverly verhindern, daß diese fragwürdige Person zum Gegenstand einer auf den Gegenentwurf des Tathergangs bauenden Verteidigungsstrategie gemacht würde.
Schiffmann hingegen weist zwar daraufhin, daß »die Theorie von der Täterschaft Arnold Beverlys zu widersprüchlich [ist], um auf sie bauen zu können« (S. 261), aber er walzt diese Theorie - ergänzt durch Fakten über reale Polizeibrutalität und -korruption - derart aus, daß bei bisherigen Rezensenten vor allem diese Informationen als »Fakten« hängenbleiben und sie von ihnen an ihre Zeitungsleser weitergegeben werden.
Dabei steht eines fest: abgesehen davon, wie das seit 2003 von Robert R. Bryan aus San Francisco geleitete Verteidigungsteam und Mumia Abu-Jamal selbst die Aussage des Arnold Beverly heute bewerten, ist dieser Zeuge von den höchsten Gerichten Pennsylvanias als Beweismittel formaljuristisch längst abgelehnt worden und für alle Zeiten »verbrannt«. Arnold Beverly wird in diesem Fall nie wieder eine Rolle spielen!
Das erwähnt auch Schiffmann. Aber weder zieht er den einzig richtigen Schluß daraus, dieser falschen Strategie früherer Verteidiger nicht so viel Raum zu bieten, noch war er bereit, auf dringende Bitten aus dem inneren Kreis derer zu hören, die eng mit Mumia Abu-Jamal und seinen Verteidigern zusammenarbeiten, und den Fokus auf das zu legen, was einzig zu einem Erfolg im jetzt anstehenden juristischen Kampf vor dem 3. Bundesberufungsgericht führen kann: nämlich auf jene Fakten, wie sie im Artikel »Ohne ›wirkliche Verteidigung‹« von Dave Lindorff in der jungen Welt vom 30. Dezember 2006 auf gut verständliche Weise benannt werden.
Die dort aufgeführten Fakten allein, die den eklatanten Rassismus im ersten Prozeß angreifen, durch den das Todesurteil gegen Mumia Abu-Jamal erst möglich wurde, bieten noch die Gewähr, in der jetzigen Situation beim Bundesgericht wenigstens einen konkreten Grund glaubhaft zu machen, der es ermöglicht, das Todesurteil als das aufzuheben, was es ist: ein fundamentaler Verstoß gegen die US-Verfassung und internationale Menschenrechtsgarantien. Ermöglicht nur durch die kriminellen Manipulationen, wie sie Polizei und Staatsanwaltschaft nachweislich begangen haben, und durch die rassistischen Vorurteile, wie sie Gericht und Staatsanwaltschaft geschürt haben.
Statt sich genau darauf zu konzentrieren und die ganze Zeit und Kraft, die in die Abfassung dieses Buches geflossen sind, in die kluge und weite Verbreitung der wesentlichen Fakten zu stecken, um einer Basisbewegung zu ermöglichen, in enger Zusammenarbeit mit der Verteidigung Hebel gegen das Urteil zu schmieden, aktualisiert Schiffmann alte und kontraproduktive Fakten und Vermutungen.
Er rezitiert seitenlang einen juristisch fragwürdigen Wust von Indizien und tatsächlichen oder vermeintlichen Fakten, die trotz der vielen Quellen so viel Wert sind und letztlich so viel bewirken, wie die Kommentare zur Politik der Großen Koalition in der Kneipe um die Ecke.
Statt also einer dringend zu mobilisierenden breiten und internationalen Solidaritätskampagne ähnlich wie Dave Lindorff das Wesentliche an die Hand zu geben, um diese in Bewegung zu bringen, baut sich der unbedarfte juristische Laie Schiffmann unter der Überschrift »Was geschah wirklich?« (S. 280) in seinem Buch ein virtuelles Katheder auf. Dort generiert er sich zum »Experten« und erklärt jene von ihm selbst kunstvoll in die Hand genommenen (= »manipulierten«) »Fakten« und somit seine durch keine objektiven Instanzen überprüfbaren Bewertungen zu etwas, was er heute (oder richtiger: vor dem 15. August 2006; Datum der Einleitung) für der Weisheit letzten Schluß hält. Nur so ist es möglich, daß Schiffmann in völliger Überhebung der eigenen Person einen Toten wie Kenneth Freeman, der (wahrscheinlich) von der Polizei gemeuchelt wurde und von dem wir erst einmal nur gesichert wissen, daß er mit Mumias Bruder Billy Cook in der Nacht der dramatischen Ereignisse am 9. Dezember 1981 im Auto saß und flüchtete, zum »wahren Täter« erklären kann (S. 283).
Ist er das wirklich, Dr. Schiffmann? Und »geschah (alles) wirklich« so, wie Sie es beschreiben?
Wir alle wüßten das gern. Deshalb brauchen wir keine neuen »Experten«, sondern wir müssen die Verteidigung unterstützen und eine Bewegung stärken und sie mit den für die jetzige Kampfphase wichtigen Informationen versorgen, damit wir alle zusammen mit dem Verteidigungsteam und einer internationalen Öffentlichkeit endlich den Rahmen schaffen, um den es seit 25 Jahren geht und in dem die wirklichen Beweise endlich auf den richtigen Tisch kommen: vor eine faire Jury, von der wir alle wissen, daß sie Mumia Abu-Jamal nur freisprechen könnte.

* * * * *
»Der ›Neger‹ ist nicht. Ebensowenig der Weiße. Beide müssen wir die unmenschlichen Wege unserer Vorfahren verlassen, damit eine wirkliche Kommunikation entstehen kann.
Bevor die Freiheit den positiven Weg beschreitet, muß sie eine Anstrengung unternehmen, um die Entfremdung zu beseitigen ...
Nur durch eine Anstrengung des Neubeginns und der Selbstprüfung, durch eine ständige Anpassung ihrer Freiheit, kann es den Menschen gelingen, die idealen Lebensbedingungen für eine menschliche Welt zu erschaffen.« Frantz Fanon

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Fußnoten
(1) George Pumphrey: Why Arnold Schwarzenegger refused Clemency to Stanley "Tookie" Williams, Berlin 31. Januar 2006.
(2) Horst Gründer in seinem Beitrag zur Tagung der Uni Münster "Rassenpolitik in den Kolonien des Deutschen Kaiserreichs" (8.-10. Oktober 2003)
(3) Alex Haley (Hg.), Malcolm X - Die Autobiographie, Bremen 2004, S. 490 [mit einem Vorwort von Mumia Abu-Jamal].
(4)Anführungszeichen bei ‚politische Gefangene' von M. Schiffmann; Hervorhebung bei verstandene von J.H.
(5) Terry Bisson, On A Move - Die Lebensgeschichte von Mumia Abu-Jamal, Bremen 2001.
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