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Kolumne 29.05.04: Verweigertes Recht

30.05.04 (von maj) Im Umgang mit »feindlichen Kombattanten« brechen die USA internationale Abkommen

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr.122, 29./30. Mai 2004

Die US-Regierung trägt die Verantwortung dafür, daß sich Hunderte von Ausländern und einige US-Bürger auf unbestimmte Zeit in Gefangenschaft befinden. Sie verschwinden spurlos in modernen Verliesen, und es gibt für sie keine rechtsstaatlichen Verfahren, für die meisten nicht einmal ordentliche Anklagen. Sie sind völlig der Verfügungsgewalt des US-Militärs ausgeliefert, das sie als »feindliche Kombattanden« ansieht, die keinerlei Rechte haben und nicht den Hauch einer Chance, ihre unbegrenzte Haft rechtlich anzufechten.
Eine unbekannte Zahl ist physischer Folter unterworfen, aber alle sind sie Opfer der psychologischen Folter, die schon viele von ihnen in den »Selbstmord« getrieben hat. Einige dieser Gefangenen haben Aussicht auf sogenannte Militärtribunale unter der Regie der US-Exekutive, scheinbare Gerichtsverfahren, in denen es aber keine zivilen Justizbeamten geben und kein Wort zu hören sein wird, das im entferntesten etwas mit Verteidigung gegen die Anklage zu tun hat.
Tatsächlich werden diese Gefangenen sich mit Geheimprozessen konfrontiert sehen, in denen der US-Präsident oder einer seiner Vertreter, beispielsweise Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, das letzte Wort darüber haben wird, wer von disen Angeklagten leben oder zum Tode verurteilt wird. Höchste Gerichte werden sich mit dieser Rechtslage befassen müssen, aber es ist kaum vorstellbar, daß sich die Richter des Obersten Bundesgerichts in Washington D.C. der Administration eines Präsidenten widersetzen werden, dem sie selbst zu seinem Amt verholfen haben.
Worüber diese obersten Richter aber sicher nicht entscheiden werden, sind die zentralen Fragen des Völkerrechts oder der internationalen Abkommen, die von den Vereinigten Staaten und von anderen Ländern unterzeichnet worden sind. Ist ein solcher Vertrag erst vom Kongreß unterzeichnet und ratifiziert, wird er automatisch Teil der »höchsten Gesetze des Landes«.
1992 haben die USA das Internationale Abkommen über Zivile und Politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights/ICCPR) ratifiziert, wodurch es Teil der US-Gesetze wurde. Wissenschaftler und Kommentatoren haben mit Blick auf diesen Vertrag die Meinung vertreten, daß der Regierungsbefehl des Präsidenten vom 13. November 2001 einen Verstoß gegen dieses Abkommen darstellt. Die Bürgerrechtsanwältin Barbara Olshansky und andere Fachleute vom Center for Constitutional Rights (CCR) haben auf verschiedene Probleme verwiesen, die sie im Militärbefehl des Präsidenten vom 13. November sehen, mit denen er die Bildung von Militärkommissionen angeordnet hat, die den im Lager Guantanamo Bay festgehaltenen Gefangenen den Prozeß machen sollen:
»Der Militärbefehl erweckt die große Besorgnis bezüglich der Frage, ob die Vereinigten Staaten ihren unter dem ICCPR eingegangenen Verpflichtungen nachkommen werden. Wie andere Verträge, die den Schutz der Menschenrechte sichern, verbietet das ICCPR einem Land, in Zeiten öffentlicher Notstände von den Bestimmungen abzuweichen. Das Abkommen legt sogar fest, daß bestimmte Rechte und Privilegien derart grundlegend sind, daß sie gerade in Zeiten von öffentlichen Notständen nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen. Zu diesen Rechten gehören:
- das Recht auf Leben (Artikel 6)
- das Verbot von Folter und grausamer, unmenschlicher und entwürdigender Behandlung oder Bestrafung (Artikel 7)
- das Verbot der Sklaverei (Artikel 8)
- das Verbot von Verurteilungen, die auf rückwirkend rechtskräftig gewordenen Gesetzen basieren (Artikel 15) und
- das Recht auf freie Ausübung der Religion (Artikel 18).«
(Barbara Olshansky/CCR, »Secret Trials and Executions: Military Tribunals and the Threat to Democracy«, Open Media/Seven Strories, New York 2002, S. 48-49)
Wie sich das höchste Gericht der USA letzten Endes zu all diesen Fragen verhalten wird, wird sicher Geschichte machen, so oder so.
Es ist unbestritten, daß die USA Hunderte, ja Tausende Gefangene, manche erst 14 Jahre alt, der physischen und psychologischen Folter sowie Todesdrohungen ausgesetzt haben. Sie wurden von den Schlachtfeldern in Afghanistan verschleppt, weil sie nichts anderes getan haben, als ihr Land gegen eine US-Invasion zu verteidigen. Viele dieser Gefangenen sollen den Rest ihres Lebens in völliger Rechtlosigkeit und Unsicherheit fristen.
Laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht hat ein CIA-Spitzel, der auf Al Qaida angesetzt war und mehrere Monate in Guantanamo verbracht hat, danach ausgesagt, daß möglicherweise nur etwa zehn Prozent der Gefangenen in diesem Lager überhaupt je etwas mit Al Qaida zu tun hatten. Viele von ihnen seien vielmehr von übelgesinnten oder habgierigen Verwandten oder Nachbarn denunziert worden, weil es diesen um die Tausende Dollar ging, die von CIA oder US-Armee als Kopfgeld ausgesetzt waren. Wenn das wahr ist, dann ist das Lager Guantanamo Bay ein einziges großes Verbrechen gegen die Menschenrechte.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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