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»Mumias Leben liegt in unseren Händen« Teil I

19.10.03 (von ivk) Nach der Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Mumia Abu-Jamal gab es noch eine öffentliche Veranstaltung, deren Beiträge bereits in Auszügen in der jungen Welt vom 11. Oktober 2003 veröffentlicht wurden, hier aber komplett zu finden sind

Samstag, 4. Oktober 2003
Öffentliche Veranstaltung mit Angela Davis, Pam Africa und Rechtsanwalt Robert R. Bryan in Paris
Moderation: Julia Wright

Auf Einladung des französischen Solidaritätskomitees für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal und seiner Sprecherin, der in Paris lebenden afroamerikanischen Schriftstellerin Julia Wright, fand nach der Ernennung von Mumia Abu-Jamal im Rathaus von Paris eine politische Veranstaltung für die aus mehreren europäischen Ländern und den USA angereisten Mitglieder der Kampagne statt. Jacky Hortaut von der Gewerkschaft CGT sagte: »Wir haben zwei Jahre daran gearbeitet, diese Ehrung möglich zu machen. Und mit der Unterstützung von Angela Davis und Robert Bryan ist es uns möglich geworden, daraus einen großen Moment für uns alle zu machen. Ich denke, das ist ein großartiger Beitrag zur Erringung der Freiheit von Mumia Abu-Jamal.«
Pam Africa ist Sprecherin der MOVE-Organisation aus Philadelphia, Angela Davis ist 1973 durch eine weltweite Solidaritätsbewegung aus US-Haft befreit worden und Robert R. Bryan aus San Francisco ist der neue Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal zur Durchsetzung des Wideraufnahmeverfahrens vor den Bundesgerichten.

Pam Africa:
Ich möchte zuerst sagen, daß der heutige Tag wirklich großartig ist, und ich möchte allen dafür danken, daß er möglich wurde, denn ohne Sie und all die anderen Menschen wäre dieser Tag nie möglich geworden. Es stimmt, daß es keine Macht gibt, die der Macht des Volkes vergleichbar wäre, denn sie ist nicht aufzuhalten. Es ist eine einfache Tatsache, daß unsere Schwester Angela Davis, unser Bruder Geronimo Pratt und andere politische Gefangene, die gegen die US-Regierung aufgestanden sind, heute nicht frei wären, wenn nicht die Macht des Volkes sie befreit hätte. Vor diesem Hintergrund möchte ich jetzt Angela Davis und dem Publikum das Wort erteilen, und ich werde mich dann später wieder zu Wort melden.

Angela Davis:
Vielleicht gibt es ja Fragen, weil ich ja schon im Rathaus gesprochen habe...

Ein früheres Mitglied der französischen Kampagne zur Befreiung von Angela Davis:
Gibt es Hoffnung, daß Mumia befreit wird? Ich trage diesen Button »Free Mumia« und ich hoffe, daß Mumia einmal auf dem Place de la Concorde stehen wird und ich ihm diesen Button übergeben kann. Ich möchte auch alle anderen auffordern, so einen Button zu tragen, denn wenn ich durch Paris laufe, dann werde ich immer gefragt: Wer ist das? Und dann kann ich es erklären.

Pam Africa:
Ich gehe fest davon aus, daß Mumia befreit wird.
Hat noch jemand eine Frage?

Mann im Publikum:
Welche Bedeutung hat die Kampagne zur Befreiung von Mumia in den USA?

Angela Davis:
Ich möchte damit beginnen, daß die Kampagne in den vergangenen sieben, acht bis neun Jahren gewachsen ist. 1995, als der erste Hinrichtungsbefehl unterzeichnet worden war, gab es ein starkes Anwachsen der Solidarität mit Mumia. Aber Sie müssen wissen, daß es für Menschen, insbesondere jene, die prominent sind, schwierig ist, Mumia zu unterstützen, und all jene, die sich für ihn stark machen, sind mutige Leute. Das hängt damit zusammen, daß überall in den USA innerhalb der Strafverfolgungsbehörden, also Polizei und Justiz, Stimmung gegen Mumia gemacht wird. Das wird in den Polizeibehörden regelrecht organisiert. Hauptangriffsziele sind Musiker wie Sting und Bands wie Rage Against The Machine gewesen. Es wurde zum Boykott ihrer Konzerte aufgerufen. All die bekannten Leute, die sich für Mumia eingesetzt haben, sind Opfer dieser Kampagne der Fraternal Order of Police [rechte Polizeigewerkschaft] geworden. Und diejenigen, die sich öffentlich für Mumia eingesetzt haben, wie zum Beispiel Ossie Davis, haben großen Mut bewiesen. Es gibt nur eine Lösung - eine immer stärker werdende Bewegung aufzubauen. Und genau das versuchen wir.

Frau im Publikum:
Wieviele Menschen sind unschuldig hingerichtet worden?

Angela Davis:
Darauf kann ich nur sagen: Jeder, der hingerichtet wurde, ist unschuldig hingerichtet worden. Es ist natürlich wichtig, Kampagnen für die unschuldig Verurteilten - einschließlich Mumia -, zu führen, aber wir müssen die generelle Abschaffung der Todesstrafe fordern. Niemand, egal ob schuldig oder unschuldig, darf hingerichtet werden.

Frau im Publikum:
Gibt es eine realistische Lösung für jeden US-Bundesstaat, die Todesstrafe abzuschaffen?

Pam Africa:
Wenn wir alle kontinuierlich daran arbeiten, solche Kampagnen durchzuführen wie damals zur Befreiung von Angela Davis, dann hat das den Effekt, daß Gouverneure wie der von Illinois, George H. Ryan, die Todesstrafe abschaffen. Seine Entscheidung im Januar 2003 war die Folge der beharrlichen Arbeit aller, die seit Jahren dafür eintreten, und ich spreche hier nicht von Weißen, Schwarzen oder Puertoricanern, ich spreche von allen Menschen, die gemeinsam an diesem Ziel arbeiten und vereint vorgehen. Denn auch wenn die Todestrakte überall in den USA vor allem mit Schwarzen belegt sind, hat erst unsere vereinte Anstregung dazu geführt, daß der Todesstrafe in Illionois eine Niederlage beigebracht wurde. Dasselbe ist hier geschehen, damit Mumia Ehrenbürger von Paris werden konnte. Es brauchte die beharrliche Anstregung vieler hier in Frankreich, der Arbeiterklasse, der Sans Papiers und all der anderen, die durch ihr vereintes Vorgehen diesen Sieg errangen. Und wenn es auch zunächst unmöglich erschien, so habt ihr hier doch das Unmögliche möglich gemacht. Es erfüllt alle mit Hoffnung, daß Mumia immer noch lebt. Die Jungen, die Armen, die Schwarzen, alle, die heute in den Todestrakten sitzen, und all jene, die der Staat morgen in die Todestrakte werfen will, sie alle schauen voller Hoffnung auf das, was mit Mumia geschieht. Auch die Menschen in Paris, in Bobigny, in Kalifornien, Afrika, Deutschland und in Dänemark erheben ihre Stimme gegen diesen Wahnsinn. Die Bewegung für Leben und Freiheit von Mumia steht dafür, die Kräfte zu bündeln, so wie zum Beispiel die Gewerkschaft der Hafen- und Dockarbeiter die ganze Westküste der USA lahmgelegt hat. Das ist die gleiche Arbeiterbewegung, die sich auch in Europa gegen das Unrecht erhoben hat, das Mumia widerfährt. Mumia ist einer von Millionen, sein Fall steht exemplarisch für all jene, für die sich niemand einsetzt. Das gibt uns die Kraft, uns der US-Regierung entgegenzustellen wie selten zuvor.

Frau im Publikum:
Im nächsten Monat wird Mumia wahrscheinlich auch Ehrenbürger der Stadt Nanterre. Wir haben schon Hunderte Unterschriften gesammelt. (Beifall)

Andere Frau:
Ich bin Dichterin und möchte darauf hinweisen, daß der Erfolg, den wir heute im Rathaus gefeiert haben, vor allem Julia Wright zu verdanken ist, die hier seit vielen Jahren diese Arbeit gemacht hat. Und ich hoffe, daß sie bald wieder gesund ist. Wir können uns aufeinander verlassen, wir verlassen uns auch auf euch in den USA und zusammen werden wir es schaffen!

Claus Redondo:
Ich bin ein Mitglied der deutschen Delegation. Ich gehöre der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) an, die der französischen NACRE vergleichbar ist, der Organisation der französischen Widerstandskämpfer. Mumia Abu-Jamal ist im letzten Jahr auf dem Vereinigungskongreß der beiden bislang getrennten Organisationen Ost- und Westdeutschlands zum Ehrenmitglied unserer Organisation ernannt worden. Die VVN/BdA ist nun die größte antifaschistische Organisation in Deutschland. Als wir älteren Antifaschistinnen und Antifaschisten davon erzählten, daß wir nach Paris fahren und Angela Davis treffen würden, fragten sie: Ist es wirklich wahr, ihr trefft Angela Davis?!? Leider haben wir zu spät von der heutigen Verleihung der Ehrenbürgerschaft erfahren, weshalb von den älteren Mitgliedern unserer Organisation leider niemand mitkommen konnte, aber wir vertreten sie heute alle hier. Eine der älteren Antifaschistinnen hat und aufgetragen, heute hier darauf hinzuweisen, daß die Kampagne für die Freiheit von Angela Davis eine wichtige Sache für die Linke und die internationale Solidaritätsbewegung war. Die Durchsetzung von Angelas Freilassung war ein großer Erfolg. Meine Frage an die französische Solidaritätsbewegung ist, ob es nicht auch für die NACRE möglich wäre, Mumia zu ihrem Ehrenmitglied zu machen. Das würde anknüpfen an die internationale Solidarität für Sacco und Vanzetti und für die Rosenbergs und würde es möglich machen, mehr Menschen für diesen Kampf zu gewinnen, und das würde die Kampagne insgesamt stärker machen.

Julia Wright:
Ich möchte darauf direkt antworten. Wir haben in den vergangenen Jahren schon mehrere große Manifestationen am Place de la Concorde durchgeführt mit Tausenden von Menschen. Dabei wurden wir auch von einem der Söhne der Rosenbergs unterstützt, der mit uns gemeinsam für die Freiheit von Mumia kämpft. Er hat uns gesagt, wir seien damals sehr nahe daran gewesen, seine Eltern zu retten. Deshalb ist für uns die Frage, was ist für uns der Knackpunkt, um Mumia befreien zu können? Wie können wir besser zusammenarbeiten? Wir haben es nicht geschafft, die Rosenbergs zu befreien, aber was können und müssen wir tun, um Mumia zu befreien? Wie müssen wir diesen Kampf definieren?

Frau im Publikum:
In Frankreich ist es so, daß die Leute mehr oder weniger nur in ihren Organisationen arbeiten, aber wir sollten mehr zusammenarbeiten und die Medien zwingen, mehr über Mumias Fall zu berichten, wie es zum Beispiel in Japan schon geschieht.

Andere Frau:
Ich war als Zwanzigjährige dabei, als wir in den 50ern für die Rosenbergs gekämpft haben. Das war eine riesengroße und starke Bewegung. Wir demonstrierten, und ich habe Unterschriften unter Petitionen gesammelt. Viele setzten sich gegen die Hinrichtungen ein, aber am Ende wurden die Rosenbergs dennoch hingerichtet. Ich weiß deshalb nicht, ob es wirklich eine Lösung gibt, um Mumias Hinrichtung zu verhindern.

Pam Africa:
Menschen lernen durch die Fehler, die sie machen. Fragen wie die Beschaffenheit der Bewegung, ihre Zusammenarbeit und daß nicht nur auf große Demonstrationen gewartet wird, sondern die Herrschenden tagtäglich damit konfrontiert werden, daß das himmelschreiende Unrecht nicht mehr erduldet wird, sind davon berührt. Ich möchte auf etwas ganz Wichtiges hinweisen: Ohne die Solidaritätsbewegung würde Mumia nicht mehr leben. Im Dezember 2001 hat eine Richterin des Staatsgerichts von Philadelphia namens Pamela Dembe gedacht, die Bewegung sei derart zersplittert, daß sie Mumias erneuten Wiederaufnahmeantrag einfach ablehnen kann. Es kam zu einer gerichtlichen Anhörung am 17. August 2001. Sie waren sich so sicher, daß nur wenige Leute kommen würden. Sie schickten ein paar Polizisten vor das Gerichtsgebäude, die die Leute hinter Absperrgitter zurückdrängten. Sie wollten an dem Tag Mumias Antrag für einen neuen Prozeß ablehnen. Es gab viele Delegierte, zum Beispiel aus Frankreich oder von schwarzen Organisationen, Jessie Jackson, der Bürgermeister der Pariser Vorstadt Bobigny, Julia Wright, Ossie Davis. Tausende waren dort auf den Straßen. Richterin Dembe mußte den Gerichtstermin vertagen. Erst nach den Protesten gab sie bekannt, Mumia solle keine Gelegenheit erhalten, die neuen Beweismittel für seine Unschuld in einer öffentlichen Anhörung vorzubringen. Kurz danach, Anfang Dezember 2001, wurde Mumia hier in Bobigny und Paris formal zum Ehrenbürger ernannt. Das führte der Welt erneut Mumias Fall vor Augen. Am 6. Dezember 2001 gab es hier in Paris eine Pressekonferenz und am 7. Dezember reisten Angela Davis, Julia Wright, Jacky Hortaut und Abgeordnete des Europäischen Parlaments nach Pennsylvania, um Mumia zu besuchen. Am darauffolgenden Tag gab es eine Demonstration für Mumia vor dem Haus des Bezirksstaatsanwalts, was den Staat in Angst und Schrecken versetzte. Daraufhin wurde die Demo von der Polizei mit brutaler Gewalt angegriffen, obwohl wir nichts Unrechtes getan hatten. Wir waren dabei, uns vor dem Haus des Bezirksstaatsanwalts zu versammeln, was den Staat in Angst und Schrecken versetzte. Daraufhin wurde die Demo von der Polizei mit brutaler Gewalt angefriffen. Ein Demonstrant wurde zusammengeschlagen und so schwer verletzt, daß er ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Eine junge asiatisch-amerikanische Unterstützerin erlitt einen Bruch. Am anderen Tag erschien ein Foto in einer Tageszeitung, auf dem ein junger Schüler einer Highschool gezeigt wurde, dem ein Polizist seine Waffe an den Kopf hielt. Das alles machte Schlagzeilen rund um den Globus. Die Ablehnung des Wiederaufnahmeverfahrens durch Richterin Dembe, die Ehrenbürgerschaft für Mumia, die Demonstration - das alles ließ die USA nicht gut aussehen. Eine Woche später mußte derselbe Staat, die gesagt hatte, er werde in Mumias Fall niemals nachgeben und ihn hinrichten, egal was die Öffentlichkeit sagen würde, wegen des einheitlichen Kampfeswillens der Solidaritätsbewegung einen anderen Weg einschlagen. Plötzlich, aus heiterem Himmel, nachdem er fast zwei Jahre geschwiegen hatte, kam Bundesrichter Yohn völlig unerwartet mit seinem Beschluß heraus, wonach das Todesurteil gegen Mumia umgewandelt werden solle. Wir sollten alle glauben, jetzt wäre Mumia nicht mehr in Gefahr und wir hätten einen Sieg errungen. Doch unsere Position ist völlig klar: Mumia ist unschuldig - laßt ihn sofort frei! Die dachten also, sie schmeißen uns Lebsnslänglich statt Todesstrafe vor die Füße und wir sind zufrieden! Bundesrichter Yohns Beschluß lautete, innerhalb von 180 Tagen würde Mumias Strafe automatisch umgewandelt, wenn nicht vom Staatsgericht in Philadelphia anders entschieden würde. Der Bezirksstaatsanwalt ging sofort in Berufung, weil er die Hinrichtung will. Auch Mumia legte sofort Berufung ein und sagte, daß lebenslange Haft für ihn nicht zu akzeptieren ist. Das war am 18. Dezember 2001. Seither sind die 180 Tage lange vorüber, 2002 ist vorbei, 2003 ist fast vorbei und jetzt steht 2004 vor der Tür. Bei wem liegt die wirkliche Macht, wenn nicht beim Volk? Die Justiz der stärksten Macht der Welt sagt, in 180 Tagen soll der Beschluß wirksam werden, und jetzt schieben sie vor, das Staatsgericht sei dafür verantwortlich, daß Bundesrichter Yohns Beschluß noch nicht rechtskräftig ist. Mumia und seine Verteidigung haben keinen Einfluß darauf, was das Staatsgericht tut oder läßt. Dieses Gericht muß eine Entscheidung fällen, so daß die Bundesgerichtsebene in Pennylvania wieder handeln kann. Es ist die Angst vor der Macht des Volkes, die sie zu dieser Hinhaltetaktik greifen läßt. Das müssen wir uns alle klar machen: Die Macht über Mumias Leben liegt nicht in den Händen des Staates, sondern in den Händen des Volkes, in unseren Händen! Vereint können wir sie daran hindern, Mumia umzubringen!

Frau im Publikum:
Ich möchte Angela oder den Anwalt von Mumia fragen, wie seine Situation im Gefängnis ist.

Menschenrechtsanwalt Jean-Jaques de Felice aus Paris:
Wie geht es mit Mumias Verfahren genau weiter vor den Staats- und Bundesgerichten? Der Festakt heute morgen war ein großartiges Ereignis - was können die demokratischen Kräfte in unserem Land tun, um Mumia zu unterstützen?

[Fortsetzung Teil II]

 
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