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Kolumne 1.109 vom 13. November 2023: Der Sinn der Zensur

13.11.23 (von maj) Angesichts der Hetze gegen alle, die das Morden in Gaza verurteilen und einen sofortigen Waffenstillstand fordern, ist die Frage der Zensur hochaktuell

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 258 vom 6. November 2023: Bitte HIER klicken!

Der Sinn der Zensur
Wir schreiben das Jahr 1994: Wieder einmal hat sich eine Institution, die vorgibt, dem »heiligen« ersten Zusatzartikel der US-Verfassung zu huldigen, entschieden, eher den Andersdenkenden zum Schweigen zu bringen als die freie Rede zu erlauben. Wegen einer geplanten Sendereihe mit Kommentaren des Verfassers war dem National Public Radio (NPR) für sein Programm »All Things Considered« (etwa »Alle Dinge in Betracht gezogen«) in letzter Minute aus politischen Gründen der Stecker gezogen worden. Kurz darauf kündigte das Pennsylvania Radio Network der Temple University (das sind WRTI-FM und elf Partnerstationen im ganzen Bundesstaat) die Übernahme des Programms »Democracy Now« des Pacifica Radio Networks. Und zwar genau an dem Tag, an dem ein ganzes Paket aktueller Kommentare des Verfassers auf Sendung gehen sollte. So wurde Pennsylvania, die angebliche »Wiege der Freiheit«, zu einer Festung des Schweigens und der Zensur.

In einem Staat, der existiert, um den Söldnerinstinkten des Kapitals zu dienen, kann es keine wirkliche Demokratie geben, weder heute noch in Zukunft. Sieht man sich die wahre amerikanische Geschichte an, dann zeigt sich darin ein langer Kriegszug gegen die Demokratie und alles, was danach riecht. Die große Mehrheit der Menschen – Afrikaner, Natives, Frauen und arme Weiße – wurde systematisch von der politischen Macht ausgeschlossen. Das von Amy Goodman moderierte Programm »Democracy Now« versucht, sich dieser Hegemonie entgegenzustellen, und als sie es wagte, die Macht des gefängnisindustriellen Komplexes in Frage zu stellen, musste sich die Demokratie gegenüber der Verflechtung von Politik und Kapital geschlagen geben.

»In der Zensur zeigt sich das mangelnde Vertrauen einer Gesellschaft zu sich selbst. Sie ist der Meilenstein auf dem Weg zu einem autoritären Regime«, so Potter Stewart, Richter am Obersten Gerichtshof der USA, in seiner abweichenden Meinung im Fall »United States vs. Ginzburg« (1965).

NPR hatte sich dem Druck von Polizei und Kapital gebeugt, als der damalige republikanische Senator Robert »Bob« Dole die staatlichen Subventionen für NPR in Frage stellte. Auch die Demokratie hat ihren Preis, wie es scheint. Der Zensor war einst ein gewählter Beamter im alten Rom, dessen Aufgabe es war, »die öffentliche Moral zu schützen«. Im heutigen US-Imperium verdammt der Zensor jedoch nicht nur den Sprecher, sondern auch die Zuhörer, »um sie zu schützen«. Müsst ihr vor meiner Stimme geschützt werden? Oder braucht ihr nicht eher den Schutz vor euren Beschützern?
Übersetzung: Jürgen Heiser

Diese am 4. März 1997 erstmals im Original veröffentlichte Kolumne behandelt Zensurmaßnahmen, die mittlerweile fast dreißig Jahre zurückliegen. Angesichts der Hetze gegen alle, die das Morden in Gaza verurteilen und einen sofortigen Waffenstillstand fordern, ist die Frage der Zensur hochaktuell. Im Jahr 1994 saß der Bürgerrechtler schon zwölf Jahre im Todestrakt, weil eine rassistische Bande aus Polizei, Justiz und Politik den kritischen und beliebten Journalisten ausschalten wollte. Aber er ließ sich nicht mundtot machen. Mit seinen in der Zelle verfassten Kolumnen und Beiträgen für das US-Projekt Prison Radio setzte er fort, was er vor dem Knast als Radiojournalist »an alle ausstrahlen« wollte. In einem Beitrag für Radio Aktiv Berlin anlässlich von »100 Jahren Radio« nannte er kürzlich das Medium Radio »die persönlichste Form der Kommunikation, mehr als jede andere Form der Massenkommunikation«. Wie ein persönliches Telefongespräch wirke es mittels Ton ohne das visuelle Moment. Dabei komme es weniger auf die Art an, »wie Menschen miteinander sprechen, sondern wie sie einander zuhören«. Er wolle weiter »die Botschaft der Revolution vermitteln«, so Abu-Jamal. Nicht zufällig gehört er deshalb auch seit Jahrzehnten zu den engagierten oppositionellen Kräften in den USA, die sich trotz Repression und verlogener Denunziationen keinen Maulkorb umhängen lassen und dem palästinensischen Volk im Kampf um seine Existenz und Würde solidarisch zur Seite stehen. (jh)

 
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