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Kolumne # 854 vom 2.05.2017: Kranke zählen nichts

02.05.17 (von maj) Die Gefängnisbehörde von Pennsylvania gibt erst dann Medikamente an Häftlinge, die an Hepatitis-C-erkrankt sind, wenn ihnen akute Lebensgefahr droht

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 101 vom 2. Mai 2017: Bitte HIER klicken!

Kranke zählen nichts
Wer in die Unterwelt des US-Gefängnissystems geworfen wird, dem bleibt nichts anderes übrig, als alle Vorstellungen über die Medizin, die man aus der sogenannten freien Welt mitbringt, über Bord zu werfen. In dieser Welt wurden wir darauf konditioniert, in der Arbeit der Krankenschwestern einen süßen Quell des Trostes zu sehen und Ärzte als Menschen wahrzunehmen, die sich der Heilung der Kranken widmen und Schmerzen lindern. Hinter Gittern herrschen jedoch völlig andere Regeln für Medizin und Krankenpflege. Hier gibt das Geld den Ton an, und die Kranken zählen nichts. Diese Einschätzung mag hart erscheinen, aber ich kann versichern, dass die Realität noch weitaus härter ist.

Erst kürzlich schrieb ich über den »Jailhouse lawyer« (»Gefängnisanwalt«) Dennis »Solo« McKeithan und seinen zähen Kampf dafür, endlich von einem Arzt untersucht und angemessen medizinisch behandelt zu werden. Solo leidet an der Gürtelrose, einer durch Viren erzeugten Nervenentzündung, die unerträgliche Schmerzen verursacht. Als ich das Gerichtsprotokoll über die Anhörung im Januar 2017 las, in der sein Antrag auf einstweilige Verfügung verhandelt wurde, war ich erstaunt über eine Frage, die Richter John Garhart aufgeworfen hatte. Er wollte wissen, ob das medizinische Unternehmen, das im Auftrag der Gefängnisbehörde die Gesundheitsversorgung der Häftlinge sicherstellen soll, sich möglicherweise in einem Konflikt befindet. Als privatwirtschaftliches Unternehmen könne es doch möglicherweise daran interessiert sein, seinen Profit dadurch zu erhöhen, dass es den inhaftierten Patienten teure Medikamente vorenthält. Der bei der Gefängnisbehörde, dem »Department of Corrections« (DOC), für den medizinischen Dienst zuständige Zeuge verneinte die Frage, aber Richter Garhart hatte offensichtlich einen Nerv getroffen.

Seit 2015 habe ich gemeinsam mit meinen Anwälten eine angemessene medizinische Behandlung meiner Hepatitis-C-Infektion eingefordert. Das DOC erreichte im Sommer 2015 zunächst eine Abweisung meiner Klage, indem es bei Gericht eine gefälschte eidesstattliche Versicherung vorlegte. Mit dieser wollte die DOC-Anwältin untermauern, dass ich gar nicht so schwer an Hepatitis C erkrankt sei und noch jahrelang ohne Medikamente auskäme.

Ein Bundesrichter sah das anders und setzte eine gerichtliche Anhörung an, in der wir nachweisen konnten, dass die eidesstattliche Versicherung gefälscht war. Monate später bewertete derselbe Richter das sogenannte Protokoll des DOC als verfassungswidrig. In dieser internen Richtlinie hat das DOC festgelegt, dass Häftlinge, die an einer Hepatitis-C-Infektion erkrankt sind, zwar untersucht werden, Medikamente aber erst gegeben werden, wenn akute Lebensgefahr droht. Diese Schlappe konterte die Behörde mit der Behauptung, meine Hepatitis-C-Erkrankung sei relativ harmlos.

Auch dem widersprach Bundesrichter und erklärte das »Protokoll« Anfang Januar 2017 ein zweites Mal für verfassungswidrig. Seine Anordnung, meine Behandlung innerhalb von 21 Tagen aufzunehmen, ignorierte das DOC fast zwei Monate lang und schob noch Ende März vor, es seien noch weitere medizinische Tests notwendig. Diese zeigten dann, dass ich nicht nur an einer fortgeschrittenen Hepatitis C erkrankt bin, sondern meine Leberzirrhose schon das schwere Stadium F4 erreicht hat. Weil es »400 Millionen kosten« würde, weigerte sich das DOC weiter, das Geld für die teuren Medikamente auszugeben, mit denen meine Infektion (und die Tausender anderer infizierter Häftlinge) geheilt werden könnte. Mich würde es ja auch nur mein Leben kosten.
Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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